Wie männlich ist Wissenschaft?
Podiumsdiskussion
Das 250-jährige Doktorjubiläum von Dorothea Christiane Erxleben nahmen Prof. Dr. Eva Labouvie vom Institut für Geschichte und Dr. Eva Brinkschulte, Geschichte, Ethik und Theorie der Medizin, zum Anlass, eine Veranstaltungsreihe mit einer Tagung zum Thema Pionierinnen, Wissenschaftlerinnen, Kämpferinnen: Dorothea Christiane Erxleben und die weibliche Seite der (Natur-)Wissenschaft, der Präsentation der Ausstellung Weibliche Ärzte in der Universitätsbibliothek sowie einer Podiumsdiskussion zum Thema Frauenforschung – Frauenförderung: Wie männlich ist die Wissenschaft? zu initiieren.
Erxleben-Gastprofessorinnen
Zur Podiumsdiskussion hatten sie Anfang Juni 2004 Inhaberinnen der Dorothea-Erxleben-Gastprofessur unserer Universität eingeladen, über ihre Erfahrungen und beruflichen Entwicklungen zu berichten. Diese Professur wurde 1997/98 an der
Otto-von-Guericke-Universität eingerichtet, um besonders Frauen in Wissenschaftsdisziplinen zu fördern, in denen sie unterrepräsentiert sind. Zugleich sollen Forscherinnen die Chance zur weiteren fachlichen und persönlichen Profilierung erhalten. Im Podium diskutiert hat auch die Staatssekretärin im Ministerium für Gesundheit und Soziales des Landes, Bärbel Freudenberg-Pilster. Vertreten waren zudem Gleichstellungs- und Frauenbeauftragte sowie Vertreterinnen der Ärztekammer und des Deutschen Ärztinnenbundes.
Die beruflichen Entwicklungswege der Inhaberinnen der Erxleben-Professur sind nach ihrem Aufenthalt in Magdeburg sehr unterschiedlich verlaufen. Während es Ljudmila Bordag (Mathematik) auf eine Professur nach Schweden verschlug, hat Martina Rauchfuß (Medizin) inzwischen habilitiert und Myra Spiliopoulou ist an unserer Universität Professorin für Wirtschaftsinformatik. Alle erinnerten sich gern an ihren Aufenthalt und ihre Arbeit in Magdeburg und machten deutlich, die Professur solle weniger als "Sprungbrett" oder "Nachhilfe" für Wissenschaftlerinnen, sondern vielmehr als Anerkennung und Auszeichnung für gute Leistungen betrachtet werden. Durch den Ruf auf Zeit erfuhren die Wissenschaftlerinnen eine Statusaufwertung, und sie hatten eine finanzielle Ausstattung für ihre Arbeit zur Verfügung. Oft zum ersten Mal bestand insbesondere für die jungen Wissenschaftlerinnen im Rahmen der Professur auch die Möglichkeit, in den Gremien der akademischen Selbstverwaltung mitzuarbeiten, was sehr hoch geschätzt wurde.
Vielen Frauen ist jedoch die Tür zur Professur und wissenschaftlichen Karriere verschlossen. Die Gleichstellungsbeauftragte unserer Universität, Dr. Ingrid Adam, unterstrich, dass gesellschaftliche Leitbilder, die vermittelt werden, auch die wissenschaftlichen Karrieren junger Frauen prägten. So hilfreich Förderprogramme für Frauen seien, sie könnten doch immer nur eine Unterstützung auf Zeit sein und ermöglichten keine kontinuierliche und zukunftsorientierte Karriereplanung.
Ausgrenzungsmuster
Gewarnt wurde davor, Karrierehemmnisse an Kindern und Familie festzumachen. Es existierten eine Vielzahl von Frauenförderinstrumenten, die nicht genutzt würden. Leitungsstrukturen seien immer noch männlich. In der Medizin beispielsweise griffen über Jahrhunderte aufgebaute stereotype Ausgrenzungsmuster: Das Modell der "den Rücken freihaltenden Ehefrau" werde auf den Berufsalltag übertragen und bestimme das Verhältnis von Arzt und Krankenschwester, Chefarzt und Assistenzärztin, so Prof. Dr. Gabriele Kaczmarczyk, Frauenbeauftragte der Charité-Universitätsmedizin Berlin.
Bärbel Freudenberg-Pilster bemerkte, dass auf EU- und Bundesebene zwar viel getan werde für Fraunen in der Wissenschaft, es aber bei weitem noch nicht ausreiche und an der Umsetzung der Vorgaben mangle. Beispielsweise wären Männer in der deutschen Wissenschaftslandschaft kaum bereit, ihre Karrieren denen ihrer Frau anzupassen. Eine Kultur der Geschlechtergleichheit zu entwickeln sei keine kurzfristige Angelegenheit, sie stehe erst am Anfang und in den zurückliegenden Jahren musste sie eher wieder Rückschritte denn wirkliches Vorwärtskommen erfahren.