Ost- und Mittelosteuropa im Transformationsprozess
Internationale Konferenz zum Forschungsschwerpunkt Transformation als Epochenbruch
Zur internationalen Konferenz Gesellschaftstransformation als Typ sozialen Wandels trafen sich im vergangenen Sommersemester 70 Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaftler aus 13 Ländern an der Magdeburger Universität. Die Konferenz wurde im Rahmen des Universitätsschwerpunktes Transformation als Epochenbruch von Prof. Reinhard Golz, Institut für Erziehungswissenschaften, und Jun.-Prof. Raj Kollmorgen, Institut für Soziologie, vorbereitet und durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) sowie mit Mitteln der Sparkasse Magdeburg finanziert.
Kultur und Wandel
Grundidee der Konferenz war es, nach zehn Jahren Forschungsarbeit im Universitätsschwerpunkt und nach 15 Jahren postsozialistischer Transformationsprozesse in Ost- und Mittelosteuropa (Zwischen-)Bilanz zu ziehen und zugleich neue Forschungsperspektiven mit internationalen Gästen zu diskutieren. Vor diesem Hintergrund wurde auf Multi- und Interdisziplinarität, auf komparative Perspektiven und auf die Ausweitung des Forschungsfeldes, z.B. in Richtung Migration und Menschenrechtspolitik, Wert gelegt.
Nach den Begrüßungsworten des Rektors der Universität, Prof. Klaus Erich Pollmann, sowie des Dekans der Fakultät für Geistes-, Sozial- und Erziehungswissenschaften, Prof. Arno Ros, führten zwei Plenarvorträge in das Thema der Konferenz ein. Raj Kollmorgen und Eckhard Dittrich, Institut für Soziologie, befassten sich dabei mit der Spezifik und Erklärbarkeit von Gesellschaftstransformationen. Während Prof. Kollmorgen aus vergleichend typologischer Perspektive Gesellschaftstransformationen als eigenen Typus sozialen Wandels konzipierte, behandelte Prof. Dittrich das Verhältnis von Transformation und Modernisierung im Anschluss an moderne Theorieansätze.
An den folgenden Konferenztagen wurde das Generalthema unter jeweils gegenständlichen Fokussierungen und speziellen Blickwinkeln in vier Panels bearbeitet. Panel A beschäftigte sich mit Gesellschaftstransformation in konzeptueller und vergleichender Perspektive. Im Panel B wurden Wirtschaft, Kultur, Ethik unter dem Blickwinkel der Voraussetzungen und Folgen der Wirtschaftstransformation diskutiert. Panel C betrachtete politisch-kulturelle und menschenrechtliche Konfliktfelder und Lösungsstrategien in Transformationsprozessen. Auf Migration, Interkulturalität und Bildung in historischen und aktuellen Transformationen lag das Hauptaugenmerk von Panel D.
Interdisziplinarität
Obwohl dabei weitgreifende historische, interkulturell und international vergleichende Aspekte von Gesellschaftstransformationen diskutiert wurden, standen die postsozialistischen Konstellationen im Zentrum.
Die Konferenz war insgesamt ein großer Erfolg, nicht nur in Hinsicht auf das breite Interesse und die internationalen Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Mindestens ebenso wichtig war das Gelingen der thematischen, komparativen und interdisziplinären Öffnung. Die Konferenz hat gezeigt, dass produktive Erklärungs- und Interpretationsversuche von Gesellschaftstransformationen und damit verwobener Prozesse insbesondere dann gelingen, wenn eingefahrene disziplinäre Grenzen – z.B. zwischen Geschichte und Soziologie oder zwischen Erziehungs- und Politikwissenschaft – überwunden und bestehende Forschungsroutinen in Frage gestellt werden. Man kann diese Aussage auch umdrehen und formulieren, dass der Gegenstand rasanter, radikaler und komplexer Gesellschaftsumwälzungen komparatives, transdisziplinäres und insgesamt innovatives Forschen geradezu herausfordert.
Auf der Konferenz wurde das etwa im Bereich wirtschaftlicher Transformationen und deren sozialer sowie kultureller Einbettungen deutlich, aber auch im Problemfeld der Menschenrechte zwischen nationalen Bedingungen, internationalen Programmen und Trägern von Menschenrechtsbildung. Hier und an anderen Stellen wurden durch die Teilnehmer aufgrund eigener empirischer Forschungen und deren kritischer Diskussion neue Modelle vorgestellt, die über "klassische" Forschungspfade zum Teil deutlich hinausweisen.
Vor dem Hintergrund der anhaltend hoch dynamischen und zugleich ambivalenten gesellschaftlichen Lagen in den Transformationsgesellschaften Mittelost- und Osteuropas und in Reflexion der angesprochenen innovativen Potenziale waren sich alle Teilnehmer hinsichtlich der notwendigen, dabei innovativen Fortführung von Transformationsforschung, nicht zuletzt am Universitätsstandort Magdeburg einig. Dabei wurde auch auf die in Zukunft auszubauende Nutzung geistes- und sozialwissenschaftlicher Transformationsforschungsresultate in den Wirtschafts-, Natur- und Technikwissenschaften hingewiesen.
Was genau innovative Fortführung für den Magdeburger Universitätsschwerpunkt heißen kann, wird in den kommenden Monaten Gegenstand intensiver Beratungen sein.