Viel Tunnel, wenig Licht
Satirisches Politbarometer in der Zwickmühle
Wenn es stimmt, dass in politisch schlechten Zeiten politische Satire Hochkonjunktur hat, dann haben Hans-Günther Pölitz und Lothar Bölck mit dem neuen Programm "TUNNEL AM ENDE DES LiCHTS" wieder einmal den "konjunkturellen Aufschwung" geschafft. Sie haben auf unvergleichliche und unverwechselbare (kabarettistische) Art und Weise Politikern und Parteien ins Stammbuch geschrieben: "Mit uns kann man's nicht machen!".
Bölck und Pölitz beschreiben in einem Pointen-Marathon, der das rasante Tempo eines 100-Meter-Laufs hat, den Zustand einer Gesellschaft in Agonie und bedienen sich dabei mit glasklarem, analytischem Verstand beim ganz aktuellen Politikgeschehen zwischen Hartz IV, Osterweiterung, Demontage des Sozialstaates, Parteiengerangel und Terrorismus. Außerdem suchen und finden sie in der Geschichte Parallelen (Bismarcks Sozialistengesetze), ziehen Vergleiche, erklären mit Grimms Märchen Schneewittchen, wie aus der "DDR" Deutschland wurde und bewirken beim Publikum Erkenntnisse, die trotz satirischer Überhöhung einen Zuwachs an politischer Bildung bewirken. Das Motto des neuen Programms – mit Textbeiträgen von Olaf Kirmis – ist eine treffende Beschreibung unserer gegenwärtigen Befindlichkeit. Denn, was uns als "Licht" (sprich: Aufschwung) suggeriert wird, erweist sich immer mehr als Anfang eines Tunnels, denn "die wir für Fackelträger gehalten haben, sind nur Armleuchter". Das Programm, von Regina Pölitz ungemein filigran, temporeich und pointiert inszeniert, bedient sich der bewährten Form der "Doppelconference", inzwischen deutschlandweit das Markenzeichen des Kabarettduos Bölck/Pölitz. Diesmal aber sind sie noch besser, ist ihr verbaler Schlagabtausch, sind Wortakrobatik und Wortwitz (mit weniger Kalauern als sonst) noch aktionsreich-dynamischer. Sie schauspielern mehr und lassen doch keinen Zweifel an ihren Überzeugungen. Aber hinter verbaler Wut oder Grimmigkeit lugt immer auch ein bisschen satirische Überlegenheit, Freude über die uneingeschränkte Zustimmung, über das wissende und befreiende Lachen des Publikums. Lothar Bölck und Hans-Günther Pölitz gehen für diesen Abend mit ihrem Publikum eine "Solidargemeinschaft" ein, die auch ein bisschen stark macht. Auch im neuen Programm arbeitet man mit den bewährten Versatzstücken aus früheren Programmen: Lothar Bölck will eine Rede (am "Grab des Sozialstaates") halten, die Wort für Wort mit dialektischer Finesse von Hans-Günter Pölitz zerpflückt wird. Natürlich die "Trunkenheitsnummer" – Volksvertreter im Weinbrand- und Bierrausch über die Rentabilität von Kinderarbeit, "wenn man schon die Schulen schließt und Kindergartenplätze einspart".
Eine Meisterleistung an Sprachakrobatik und Mimik bis an die satirische Schmerzgrenze und eine Lachnummer par excellance! Einige Lieder (nach Musik von Söhne Mannheims, Peter Kreuder, Frank Schöbel) sind wie nachdenklich stimmende "Inseln" im Taumel der Begeisterung des Publikums, zeigen die musikalische Seite des Erfolgsduos, das mit dieser Form des politischen Kabaretts derzeit wohl nicht zu toppen ist. Glück für den, der Karten für den satirischen "Tunnelblick" in der Zwickmühle bekommen kann.