Lebenswelten im Wandel
Eine Kultur- und Geschlechtergeschichte Magdeburgs
Wie das pulsierende Leben in der Stadt Magdeburg vom Mittelalter bis heute aussah, vermittelt ein Ende letzten Jahres im Böhlau-Verlag (ISBN 3-412-07804-2) erschienener Sammelband, der von Eva Labouvie, Professorin für Geschichte der Neuzeit und Geschlechterforschung am Institut für Geschichte, herausgegeben wurde. Pünktlich zum 1200-jährigen Jubiläum Magdeburgs beleuchten 20 Autorinnen und Autoren aus der Geschichtswissenschaft, Germanistik, Theologie, Politikwissenschaft, Soziologie, Medizingeschichte und den Sport- und Erziehungswissenschaften die rechtlichen, wirtschaftlichen, politischen, sozialen und kulturellen Aspekte von Frauen- und Männerleben vom 10. bis zum 20. Jahrhundert. Leben in der Stadt. Eine Kultur- und Geschlechtergeschichte Magdeburgs vereint neue Ansätze der Kulturgeschichte von der historischen Anthropologie bis zur Mentalitätsgeschichte und verbindet einen erstmaligen Überblick zur Frauen- und Geschlechterforschung mit neuen Ansätzen sowie bisher unberücksichtigten Feldern der Stadtgeschichtsforschung.
Das Alltägliche
Im Mittelpunkt der Einzeluntersuchungen stehen nicht allein die Bürger der Stadt Magdeburg, sondern die Städter und die Bewohner des städtischen Umlandes, ihre Lebensräume und Lebenswelten im Wandel vom Mittelalter bis zur Moderne. Aus ihrer Sicht als Frauen und Männer will der Band argumentieren und rekonstruieren, nicht nur die bedeutsamen Ereignisse entschlüsseln, sondern erstmals auch die alltäglichen ‚kleinen', aber umso naher erfahrbaren zentralen Lebenszusammenhänge für eine immer größer werdende Zahl von Menschen in ihrer gesellschaftlichen Dynamik neu entdecken.
Entführen möchte er seine Leser in das facettenreiche und intensive städtische Leben Magdeburgs vom frühen Mittelalter bis in die Gegenwart. Dabei beleuchtet der Band keineswegs nur die sich wandelnden kommunalpolitischen, rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Aspekte des städtischen Alltags einer bis in die Neuzeit bedeutsamen mitteldeutschen Stadt und Metropole in integrierender Betrachtung, sondern konzentriert sich vor allem auf neuartige kulturgeschichtliche Themen und Fragestellungen sowie das Zusammenleben der Geschlechter, der Einheimischen mit den Fremden, der verschiedenen Konfessionsangehörigen, der Städter mit den Soldaten, Sinti und Juden in der Stadt.
Die 19 Beiträge des Sammelbandes reichen – unter bewusster Ausklammerung der üblichen Epochengliederung – vom frühen Mittelalter bis in die Gegenwart und gruppieren sich unter Berücksichtigung aller städtischen sozialen Schichten um systematische und paradigmatische Schwerpunkte städtischen Alltagslebens, aber auch besondere Lebenssituationen: um Männerleben und Frauenleben, mentale und reale Geschlechterverhältnisse, Krieg und Gewalt, Disziplinierung und Bestrafung, Krankheit und Not, Bildung und Ausbildung sowie die Erfahrung von Herrschaft in der Vormoderne, während der NS-Zeit und in der ehemaligen DDR, um alltägliche Nachbarschaftskonflikte und den Umgang mit den Fremden und "Anderen", um religiöse oder politische Kontroversen und epidemische Ängste, um Zwänge und existenzielle Nöte, Konkurrenzen und Solidaritäten, Lärmen und Schweigen, Aus- und Einschluss, Ausbrüche und Umbrüche. Sie alle handeln vom alltäglichen Umgang mit dem Besonderen und vom besonderen Umgang mit dem Alltäglichen. Die Autoren wünschen sich, dass ihre Beiträge über den wissenschaftlichen Fachkreis hinaus auch von einem interessierten Laienpublikum rezipiert werden. Denn die neuartigen wissenschaftlichen ‚Entdeckungen' des Bandes vermitteln uneingeschränkt eine Reihe von bislang unbekannten Einblicken in das städtische Leben der früheren Garnisonsstadt und der heutigen Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts.