Innovativer Studiengang Computermathematik
In Magdeburg
Früher gab es nur wenige Studienfächer. Mann oder Frau studierte Theologie, Medizin, Jura oder Mathematik. Aber vor etwa 25 Jahren begannen die Universitäten, zunehmend Kombinations-Studiengänge einzurichten: Der Arbeitsmarkt gab ihnen weitgehend recht. Es ist bekannt, dass die meisten Hochschulabsolventen in ihrem Leben nach der Universität mit Wissenschaftlern anderer Disziplinen zusammen arbeiten müssen. Und was liegt da näher, als diese Interdisziplinarität als ein wichtiges Element in das Studium zu integrieren. In der Mathematik wird dies schon immer durch die Wahl des Nebenfachs erreicht. Aber manche Studierende erwarten, dass Neben- und Hauptfach stärker aufeinander abgestimmt werden, und sie möchten, dass die dadurch erfolgte „Integration" zweier Fächer sich auch im Namen des Studienfachs niederschlägt. Ganz erfolgreich war hier in der Vergangenheit der Studiengang Wirtschaftsmathematik.
Keine Konzepte kopieren
Vor etwa vier Jahren haben wir an der Fakultät für Mathematik über eine Weiterentwicklung unseres Studienangebots nachgedacht. Wir wollten nicht nur bekannte und erprobte Konzepte kopieren, sondern selber innovativ tätig werden. Ein Ziel war, die in Magdeburg vorhandenen Potenziale bestmöglich zu nutzen. Die Magdeburger Mathematik ist traditionell sehr anwendungs- und computerorientiert. Alle Arbeitsgruppen haben eine starke, gleichwohl unterschiedliche Affinität zur Informatik im weitesten Sinne. Sowohl in der Numerik als auch in der Optimierung ist die Entwicklung und Erprobung rechnergestützter Algorithmen beispielsweise von zentraler Bedeutung. Und die mathematischen Grundlagen von Codierungstheorie und Kryptographie liegen in den Teilen von Algebra und Diskreter Mathematik begründet, die auch von Magdeburger Wissenschaftlern betrieben werden. Es wurde uns schnell klar, wie eng unser aller Forschung mit der Informatik verknüpft ist, sei es, dass wir Nutznießer sind, sei es, dass wir Algorithmen entwickeln. Es ging dann recht schnell, einen Studiengang zu konzipieren, in dem erstmalig Informatik und Mathematik integriert wurden, die Computermathematik. Dabei wurde Wert darauf gelegt, dass die Computermathematik ein mathematischer Studiengang ist. Der Mathematikanteil liegt bei etwa 60%.
Die Studierenden bekommen zu Beginn des Studiums eine solide Mathematik- und Informatikausbildung. Im Hauptstudium sollen sie sich dann für eine „computer-relevante" Vertiefung entscheiden. Das kann sich zum Beispiel darin manifestieren, dass sie komplizierte mathematische Verfahren nicht nur theoretisch verstehen, sondern auch ganz praktisch programmieren sollen. Wir bieten den Studiengang seit drei Jahren an, mittlerweile mit den Abschlüssen Bachelor, Master und Diplom.
Auch das Ausland ist aufmerksam geworden. Kollegen aus Minsk etablieren zur Zeit an ihrer Heimatuniversität einen entsprechenden deutschsprachigen Masterstudiengang Computermathematik. (Lesen Sie nebenstehenden Beitrag.) Diese Entwicklung wird vom Deutschen Akademischen Austauschdienst gefördert, mit der Magdeburger Fakultät für Mathematik als Kooperationspartner. Unsere Computermathematik wird zunehmend auch an anderen deutschen Universitäten kopiert. Das Interesse der Studierenden ist groß. Es gibt viele Anfragen, auch aus dem Ausland. All dies zeigt, dass wir in Magdeburg einen hochinteressanten, innovativen und zukunftsweisenden Studiengang entwickelt haben.
Prof. Dr. Alexander Pott
In Minsk
Die Fakultät für Mathematik hat seit 1992 effektive wissenschaftliche Beziehungen zur Belorussischen Staatlichen Universität (BSU) in Minsk, Belarus (Weißrussland). Ausgeweitet wurden diese Kontakte auf die Fakultät für Wirtschaftswissenschaft und die Fakultät für Geistes-, Sozial- und Erziehungswissenschaften. Im Jahre 2001 ist ein gemeinsamer Vertrag über die wissenschaftliche Zusammenarbeit beider Universitäten bei den Festveranstaltungen zum 80-jährigen Jubiläum der Belorussischen Staatlichen Universität in Minsk unterzeichnet worden.
Die Kontakte der Mathematiker sind breiter geworden: Drei verschiedene Arbeitsgruppen der Magdeburger mathematischen Fakultät haben inzwischen mit drei Forschungsgruppen der Fakultäten für Mechanik-Mathematik, für Angewandte Mathematik und Informatik und der Ökonomischen Fakultät der BSU Minsk eine aktive wissenschaftliche Zusammenarbeit aufgebaut.
So war es nur zwangsläufig, dass es beim Besuch des Minsker Prorektors, Prof. Dr. Alexander Kurbatzki, im Dezember 2002 zu einem Treffen in der Fakultät Mathematik kam. Beide Fakultäten hatten den Studiengang Computermathematik mit fast identischen Intensionen in Minsk und Magdeburg 2001 eingeführt. Auf dem Weg des Bologna-Prozesses ging es in Magdeburg darum, einen Studiengang vorzubereiten, der modernen Anforderungen an Mathematiker in der Praxis optimal gerecht wird. (Lesen Sie nebenstehenden Beitrag.) Da die Minsker Universität großes Interesse zeigte, im neu entstehenden europäischen Hochschulraum mit einzigartigen internationalen Studiengängen vertreten zu sein, kam der Gedanke, die Computermathematik in Minsk als deutschsprachigen Studiengang mit Unterstützung des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) einzuführen.
Studienpläne abgestimmt
Bei Arbeitsaufenthalten 2003 und 2004 von Prof. Dr. Eberhard Girlich in Minsk und bei einem DAAD-Studienaufenthalt 2004 von Prof. Dr. Valery Gromak in Magdeburg wurden die notwendigen Voraussetzungen für einen Antrag beim DAAD erarbeitet. Dieser Antrag ist vom DAAD positiv eingeschätzt worden. Nun kann es an die Umsetzung gehen.
Die ersten 20 Absolventen des Bachelor-Studienganges Computermathematik werden in diesem Sommer in Minsk das Studium abschließen und im konsekutiven Studium mit dem Masterstudiengang fortsetzen. Die Studienpläne sind weitestgehend abgestimmt. Drei Minsker Professoren vertiefen ihre Deutschkenntnisse in zweimonatigen Arbeitsaufenthalten in Magdeburg, lernen Vorlesungen und Ausbildungsstil kennen und erweitern die fachliche Zusammenarbeit.
Prof. Dr. Alexander Pott und Prof. Eberhard Girlich nehmen im Mai 2005 zu den Staatsexamensprüfungen der Bachelorstudenten in Minsk eine erste Evaluierung vor, die dann im Herbst durch eine DAAD-Evaluierung zu einer langfristigen Zusammenarbeit in Studium und Lehre mit den Minsker Mathematikern führen kann, welche wiederum die Forschungskooperation festigt und ausweitet.
In der Zukunft ist vorgesehen, dass Masterstudenten von der BSU in ihrem dritten Semester in Magdeburg studieren. Magdeburger Studenten können das Minsker Vorlesungsangebot nutzen und dabei gleichzeitig Minsker Bachelor-Studenten fachlich in deutschsprachigen Tutorien auf das deutschsprachige Masterstudium vorbereiten.
Prof. Dr. Eberhard Girlich