Von „digitaler Energietechnik"
Andreas Lindemann – Leistungselektronik
Was bitte ist Leistungselektronik? Diese Frage stellt sich mancher, der erstmals vom gleichnamigen Lehrstuhl am Institut für elektrische Energiesysteme der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik hört. Die Antwort ist angesichts der in unserer Zivilisation allgegenwärtigen Elektronik – bekannt z. B. aus der Datenverarbeitung oder aus Unterhaltungsgeräten – anschaulich: Leistungselektronische Schaltungen dienen zur Verarbeitung bzw. Umformung elektrischer Leistung bzw. Energie.
Gleich- und Wechselspannung
Dies ist z.B. erforderlich, um im PC einen bei geringer Gleichspannung arbeitenden Mikroprozessor aus dem Netz mit 230 Volt Wechselspannung zu versorgen, oder auch um moderne Straßenbahnen energiesparend und ruckfrei zu beschleunigen und zu bremsen, wozu die Fahrmotoren in geeigneter Weise aus der Gleichspannung führenden Fahrleitung versorgt werden müssen. Diese beiden Beispiele gehören zu den typischsten Anwendungsgebieten der Leistungselektronik, nämlich der Stromversorgungs- und der Antriebstechnik, die unseren Alltag oft unauffällig durchdringen. Um wie erwähnt energiesparend zu arbeiten, werden die Leistungshalbleiter – vergleichbar mit Gattern in der Datenverarbeitung – weitestgehend im Schaltbetrieb gefahren, also nur entweder ein- oder ausgeschaltet, weshalb die Leistungselektronik als "digitale Energietechnik" bezeichnet werden könnte.
Die Forschung am Lehrstuhl konzentriert sich auf zwei Schwerpunkte: "Leistungselektronik und Prozesstechnologie für elektrothermische Verfahren" und knüpft damit an langjährige Vorarbeiten an. Hier werden die Möglichkeiten der leistungselektronischen Umformung elektrischer Größen für physikalische Beschichtung sowie das Lichtbogen- und Widerstandsschweißen in Industrie und Handwerk– v. a. dem Maschinen- und Fahrzeugbau – nutzbar gemacht. Für die erzielten Ergebnisse hat es sich als von großer Bedeutung erwiesen, Elektronik und Prozess kombiniert, d.h. systemorientiert, zu betrachten, insbesondere beide zu erfassen und aufeinander abzustimmen.
Neue Bauelemente
Da die Entwicklung leistungselektronischer Bauelemente in den zurückliegenden Jahren ähnlich faszinierend und stürmisch wie aus der Informationstechnik bekannt verlief, befassen sich die Arbeiten am Lehrstuhl außerdem schwerpunktmäßig mit dem Einsatz neuer Bauelemente in leistungselektronischen Systemen. Hier ist speziell an Leistungselektronik für niedrige Betriebsspannung gedacht, wie sie u.a. in der regenerativen Energietechnik – z.B. im Zusammenhang mit Brennstoffzellen – und der Fahrzeugtechnik zur Anwendung kommt, oder auch an optimierte Stromversorgungen mit Bauelementen aus neuen Materialien wie Silizium-Karbid (SiC), womit sich der Kreis zum erstgenannten Schwerpunkt schließt. Die Forschung ist dabei so ausgerichtet, dass theoretische Untersuchungen – insbesondere Berechnung, Modellbildung und Simulation – durch experimentelle Arbeiten in den Laboren – insbesondere an Bauelement, leistungselektronischem System und Prozess – ergänzt werden.
Den Lehrstuhl "Leistungselektronik" hat Prof. Dr.-Ing. Andreas Lindemann seit dem 1. Dezember 2004 inne. Bereits im Studium der Elektrotechnik an der Universität Karlsruhe (TH) befasste er sich mit Leistungselektronik und elektrischen Antrieben, worauf eine Promotion an der Fernuniversität Hagen über Leistungselektronik für photovoltaische Solaranlagen folgte. Anschließend arbeitete er zehn Jahre in der Industrie. Bei der IXYS Semiconductor GmbH war er für die Entwicklung neuer leistungselektronischer Bauelemente für verschiedenste Anwendungen verantwortlich. Von dort wurde er auf die Professur für Leistungselektronik an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg berufen. Nach Magdeburg bringt er seine Mitgliedschaft im International Steering Committee der European Power Electronics and Drives Association (EPE) mit. Er ist außerdem Senior Member des Institutes of Electrical and Electronics Engineers (IEEE) und dort Chairman 2005-2006 des Joint IAS/PELS/IES German Chapters.