Erst Karriere, dann Kinder
Arbeistagung für Reproduktionsmedizin, Inderdisziplinäre Andrologie, Endokrinologie
Deutschland hat eine der niedrigsten Geburtenraten weltweit. Bemerkenswert ist dabei, dass gewünschte und gezeugte Kinderzahl sehr nahe beieinander liegen und demnach keine Hoffnung für eine höhere Geburtenrate besteht.
Keine Trendwende
Selbst wenn die Kinderzahl pro Frau auf 1,65 – zur Zeit sind es 1,3 Kinder – bis zum Jahr 2050 ansteigen würde, was aufgrund des bereits bestehenden Geburtenrückganges nicht realistisch erscheint, würde die Bevölkerungszahl auf 60 Millionen Deutsche schrumpfen. Warum ist es illusorisch, eine Trendwende zu erwarten? Extrem vereinfacht kann das Leben einer Frau in drei Phasen unterteilt werden: Ausbildung, Erwerbsphase, Familiengründung. Zur Zeit geben viele Frauen der Ausbildungs- und Erwerbsphase den Vorzug. Sie wollen konkurrenzfähig und unabhängig sein. Die Erfüllung des Kinderwunsches wird, wenn überhaupt, in die Jahre nach dem 30. Lebensjahr geschoben. Oft ist es dann aber zu spät. In dieser Phase werden nicht mehr alle Frauen schwanger oder es dauert länger bis die Schwangerschaft eintritt, weil die Hormone nicht mehr stimmen, die Eileiter verklebt sind oder die Zeugungsfähigkeit des Mannes eingeschränkt ist. "Hier kann der Fortpflanzungsmediziner häufig helfen", bestätigt Professor Jürgen Kleinstein, Direktor der Klinik für Reproduktionsmedizin und Gynäkologische Endokrinologie.
Die 8. Magdeburger Arbeitstagung für Reproduktionsmedizin, Interdisziplinäre Andrologie, Endokrinologie (MARIE) Mitte März 2005, an der etwa 150 Frauenärzte aus Sachsen-Anhalt und Niedersachsen teilnahmen, beschäftigte sich schwerpunktmäßig mit dem Thema der Alterung und Schrumpfung der Bevölkerung in Deutschland. Gastgeber Professor Kleinstein: "Wünschenswert wäre eine stärkere Politisierung dieses Themas."
Welche Auswirkungen hat der Geburtenrückgang nun für unser Leben? "Auf jeden Fall werden wir überaltern, so dass im Jahr 2050 jeder zweite Mann älter als 51 Jahre und jede zweite Frau älter als 55 Jahre sein wird. Die Gruppe der über 60-Jährigen wird größer sein als die Gruppe der unter 40-Jährigen", berichtete Professor Herwig Birg von der Universität Bielefeld.
Politisierung gefordert
Dies habe dramatische Konsequenzen für die Renten- und Krankenversicherung eines jeden. Der Bevölkerungswissenschaftler fordert daher eine gesellschaftliche und politische Diskussion über das Problem gewollter und ungewollter Kinderlosigkeit, die bei immerhin einem Drittel der gebärfähigen Frauen ausgemacht werden kann.
Bei den weiteren Themen des diesjährigen MARIE-Treffens ging es u.a. um Konsequenzen der Fehlernährung (Insulinfalle) sowie um die Bedeutung von Muskelknoten (Myome) in der Gebärmutter und der verschleppten Gebärmutterschleimhaut (Endometriose) für die Erfüllung des Kinderwunsches.