Wie wir uns im Gewirr von Stimmen auf eine einzelne konzentrieren
Transregionaler Sonderforschungsbereich „Das aktive Hören" von der Deutschen Forschungsgemeinschaft genehmigt
Was haben eine Wüstenrennmaus, ein Hörgerät und eine Cocktailparty gemeinsam? Den transregionalen Sonderforschungsbereich (SFB) "Das aktive Gehör". Mediziner, Psychologen, Biologen, Physiker und Ingenieure der Universitäten Oldenburg und Magdeburg sowie des Leibniz-Instituts für Neurobiologie Magdeburg erforschen gemeinsam, wie das Hörsystem in komplexen Reizsituationen arbeitet. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gab Ende Mai 2005 grünes Licht für die Förderung. Sprecher ist der Zoophysiologe an der Universität Oldenburg, Prof. Dr. Georg Klump.
Interdisziplinäres Team
Das Hörsystem des Menschen hat nicht nur lediglich eine passive Verstärkerfunktion, sondern wählt aktiv aus einer Vielzahl von konkurrierenden Hörobjekten diejenigen aus, die gerade interessieren. Dies lässt sich am besten mit der Cocktailparty-Situation illustrieren, in der aus einer Vielzahl von Gesprächen dasjenige in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt werden kann, welches gerade relevant ist. Das interdisziplinär arbeitende Forscherteam hat nun vor, die Mechanismen zu erklären, die für die außergewöhnlichen Leistungen des Hörsystems, wie eben das Erkennen einzelner Sprecher und ihrer Aussagen in einem Gewirr von Stimmen, zuständig sind, d.h. beispielsweise welche Informationen genutzt werden, um sich auf die Stimme einer bestimmten Person zu konzentrieren. Dem Verstehen der in vielen Bereichen immer noch unbekannten Leistung des menschlichen Hörsystems sollen Verbesserungen der Leistungen technischer Systeme bei der Signalverarbeitung in einem komplexen akustischen Umfeld mit vielen Schallquellen folgen. Für Menschen mit Hörgeräten oder Cochlea-Implantaten ist es noch immer sehr schwierig, in einer Gruppe von durcheinander redenden Personen einem Gespräch zu folgen, was mit einem gesunden Gehör sonst keine Probleme bereitet. Eines der Ziele der Forschergruppe ist die Entwicklung eines Hörgeräts, das in seiner Funktionsweise dem menschlichen Hörsystem gleicht.
Eine gute Ergänzung
Die Wissenschaftler der Universität Oldenburg, die eher anwendungsorientiert arbeiten, bringen langjährige Erfahrungen in der Hörforschung, vor allem auf den Gebieten der Hörakustik und Computersimulation, mit in die Zusammenarbeit. Den Magdeburgern, die die neurobiologische und psychologische Grundlagenforschung abdecken, steht für ihre Arbeiten das Center of Advanced Imaging und ein 7-Tesla-Kernspintomograph zur Verfügung. "Das ist eine sehr gute Ergänzung", schätzt Thomas Münte, Professor für Psychologie am hiesigen Institut für Psychologie und stellvertretender Sprecher des SFB, ein. "Dieser Transregio-SFB ist zudem der einzige, der sich mit der Problematik Hören befasst und schon auch eine gewisse Auszeichnung für die Otto-von-Guericke-Universität." Diese hat das Antragsverfahren u.a. unterstützt mit der Weiterführung der Professur für Experimentelle Audiologie und Medizinische Physik an der Universitätsklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde.
Zusammengearbeitet haben die Forscher aus Niedersachsen und Sachsen-Anhalt bereits in der DFG-Initiative "Zeitgebundene Informationsverarbeitung im zentralen auditorischen System". Insgesamt vereint der SFB 16 Projekte. Ein in Magdeburg angesiedeltes unter Leitung von Prof. Dr. Christoph Herrmann vom Institut für Psychologie untersucht, wie lange Gehörtes im Gedächtnis bleibt, um es mit bereits Bekanntem abzugleichen.
Hörobjekte bilden
Professor Münte wird in seinem Projekt mithilfe des Kernspintomographen untersuchen, welche Hirnareale beim Menschen dafür verantwortlich sind, in komplexen Sprechsituationen einen Ton oder Laut herauszufiltern. Am Institut für Neurobiologie stehen unter anderem die Wüstenrennmäuse im Fokus der Untersuchungen. Ihr Hörsystem kommt in seinen Leistungen dem menschlichen sehr nahe. Herausgefunden werden soll, wie diese Tiere Hörobjekte bilden. Die Oldenburger Kollegen arbeiten unter anderem an der Simulation des menschlichen Hörens und untersuchen das Gesangsgedächtnis von Singvögeln in Bezug auf Eigenschaften der Hörobjektbildung.
Perspektivisch angelegt ist der Sonderforschungsbereich "Das aktive Gehör" auf zwölf Jahre. Bereits in vier Jahren werden sich die Forscher aus Oldenburg und Magdeburg der gestrengen Prüfung zur Weiterförderung durch die DFG stellen müssen.