Ein Erneuerer der Schule
Vor 100 Jahren wurde der Mathematiker und Mathematikdidaktiker Hans Freudenthal geboren
Zwei Jahre nach dem Tod von Hans Freudenthal erhielt die Fakultät für Mathematik durch testamentarische Verfügung des großen Mathematikers, Mathematikdidaktikers und "Erneuerers der Schule" Teile seiner umfangreichen mathematischen Bibliothek als Schenkung. Das Freudenthal-Institut Utrecht übergab insgesamt 739 Einzelbände (Fachbücher, Enzyklopädien, Universitätsschriften aus Europa und Amerika, Biografien, Werksammlungen bedeutender Mathematiker und Tagungsberichte). Ergänzt wurde dies durch 37 Zeitschriftentitel mit insgesamt 1579 Einzelheften, darunter zahlreiche komplette Zeitschriftenjahrgänge.
Hans Freudenthal wurde 1905 in Luckenwalde geboren und begann 1923 sein Studium der Mathematik, Physik und Philosophie. Nach seiner Promotion im Jahre 1930 ging Hans Freudenthal nach Amsterdam. Während der deutschen Okkupation der Niederlande erhielt er als Jude Berufsverbot und war im Arbeitslager Havelte inhaftiert, aus dem er 1944 mit Unterstützung von Freunden fliehen konnte. Nach 1945 lehrte Hans Freudenthal in Amsterdam und Utrecht, gründete 1971 dort das später nach ihm benannte Hans-Freudenthal-Institut.
Bahn brechend für die Bestimmung des Inhalts mathematischer Bildung waren ab 1962 seine Arbeiten, die sich kritisch mit aktuellen Reformbestrebungen zum Mathematikunterricht auseinandersetzten ("New Mathematic"). Wenn Hans Freudenthal davon sprach, dass Mathematik "nicht eine Menge von Wissen ist, sondern eine Verhaltensweise, eine Einstellung, eine Geistesverfassung", beschrieb er damit, wie er selbst Mathematik praktizierte. Eine moderne mathematische Bildung wird nach seiner Auffassung nicht "als fertiges Produkt, sondern als eine im Lernprozess entstehende Konstruktion beschrieben".
Realistic Mathematics
Das Verdienst Hans Freudenthals für die Erneuerung des Mathematikunterrichts besteht darin, dass er die mathematischen Gegenstandsbereiche auf ihre "zentralen Ideen" hin analysiert und diese in Bezug auf mathematisierende Tätigkeiten gesetzt hat. Mit seiner Feststellung: "Unterricht muss auf einen reichen Kontext an selbst gemachten Erfahrungen, an realen Handlungen basieren, in denen mathematisches Denken erfahren und auf dem weiter abstrahiert werden kann" hat Hans Freudenthal bereits auf Qualitätsmerkmale des Mathematikunterrichts verwiesen, die die Konsequenzen aus den Ergebnissen der PISA-Studien 2000 bis 2004 mit allem Nachdruck benennen. Hans Freudenthals Wirken und die weiterführende Arbeit des "Hans-Freudenthal-Instituts" in Utrecht auf der Grundlage der engen Verbindung von Wissenschaftlichkeit und Praxisorientierung führten zu großen internationalen Erfolgen. Die von den Arbeiten Freudenthals wesentlich bestimmte Konzeption einer "Realistic Mathematics" ist weltweit Vorbild für Innovation von Mathematikunterricht u.a. in Japan, USA und China.