Von Augenstechen und literarischen Salons

06.10.2005 -  

12 Vorlesungen zur Wissenschaft

Gar so grausig hören sich die Berichte Eisenbarts über seine Kunst des Augenstechens und der Behandlungen von Blasensteinen an oder darüber, wie er ein Loch in den Körper des Patienten bohrt, um die Krankheitsursachen zu finden. Gaukler und Musiker waren engagiert, um die Schreie der Patienten zu übertönen. Welch ein Glück für kranke Menschen, dass Eisenbart heute nicht mehr praktiziert. Mit Marktschreiern zog er einst durch das vom 30-jährigen Krieg verwüstete Land. In Magdeburg gründete er die erste deutsche pharmazeutische Fabrik.

Eine Zeitreise

Und doch sei Johann Andreas Eisenbart (1663-1727) für seine Zeit einer der besten Ärzte gewesen, sei modern und innovativ, schnell und geschickt, gut diagnostizierend und exzellent nachsorgend gewesen, bemerkte Prof. Dr. Günther Gademann, Direktor der Klinik für Strahlentherapie, in seiner Vorlesung über mittelalterliche und Hightech-Medizin in der Vorlesungsreihe zur Wissenschaft anlässlich des Stadtjubiläums. Er hatte vor dem Eisenbart-Denkmal Magdeburger zu einer Zeitreise durch die Medizingeschichte und in die -zukunft eingeladen.

Ganz nach Marktschreiermanier jedoch hatte sich der Wundarzt vorgedrängelt, war quasi in persona von Dr. Klaus Vogler, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Pathologie, vom Denkmal gestiegen, um mit viel Brimborium über Aderlässe, vereiterte Backenzähne oder allerlei Mixturen und Tinkturen aus seiner Apotheke zu erzählen.

Professor Gademann wusste von nicht weniger Spektakulärem zu berichten: die Hygiene, die Narkose, Operationstechniken, Penizillin, das Röntgen, den Ultraschall, die Magnetresonanztomographie, Endoskopie, Computertomographie, ja bis hin zu seinem Fachgebiet die Strahlentherapie. Die moderne Technik erlaube tief im Innern des Körpers die exakte Behandlung eines zuvor genau lokalisierten Tumors. Therapietechniken und -methoden, die heilen helfen, ohne den Körper des Patienten zu öffnen. Eisenbart staunte nicht schlecht über dieses wundersame Tun.

Literarisches Leben

Keineswegs so rauh und rüde wie bei Eisenbart ging es im 18. Jahrhundert in den literarischen Salons, in Theatern, Bibliotheken und Schulen Magdeburgs zu, über die Prof. Dr. Wolfgang Adam vom Institut für Germanistik in seiner Vorlesung "Literarisches Leben in Magdeburg im 18. Jahrhundert" im Vortragsraum der Universitätsbibliothek referierte. Als Stadt ohne Hof und ohne Universität hatte es Madeburg nicht leicht, sich als kultureller Standort zu profilieren. Zwei Ansichten aus dieser Zeit, die kontroverser nicht sein könnten, belegen dies. Carl Philipp Döbelin, der Prinzipal einer Schauspieltruppe, schwärmte von der "kunstsinnigen und feingebildeten Stadt". Der Magdeburger Dichter Carl Leberecht Immermann hingegen sah in der Stadt "ein ödes Provinznest mit Festungsanlage, ausgezeichnet durch Phantasielosigkeit".

Mittwochsgesellschaften

Wohl wahr, die einstige überregional herausragende Bedeutung als geistiges Zentrum des Luthertums hatte Magdeburg nach der Eroberung und Zerstörung 1631 verloren. Und doch hat sich im 18. Jahrhundert eine beachtliche literarische Kultur mit Gelegenheitspoesie, Publikationen von Magazinen und Zeitschriften, literarischen Zirkeln, Lesestuben in Verlagen, öffentlichen Redeübungen für die Schüler von Gymnasien, privaten Bibliotheken und vielem mehr herausgebildet, bereichert mit zahlreichen Konzerten.

Berühmt wurden die Magdeburger Mittwochsgesellschaften um Friedrich Kloppstock, die sich in seiner Bibliothek bzw. im Garten der Villa des heutigen "Theaters an der Angel" direkt am Elbufer trafen. Es gab Lesungen, Chorgesang, Singspiele und literarische Schriften. Johann Wilhelm Ludwig Gleim war zu Gast, ebenso wie Johann Heinrich Rolle.

Literatur und literarisches Leben seien ein lebendiger kommunikativer Prozess, unterstrich Professor Adam. Urbanes Bewusstsein und der Stolz der Bürger auf ihre Stadt basierten auf einem Grundkonsens in konfessionellen, politischen und kulturellen Fragen. Jede Stadt habe eine eigene Erinnerungskultur. Diese zu entwickeln und Identitäten zu finden, wirkten die beschriebenen Institutionen und gesellschaftlichen Aktivitäten, um die sich das kulturelle Leben einer Stadt konzentriert.

Letzte Änderung: 06.10.2005 - Ansprechpartner: Webmaster