Ein leidenschaftlicher Pole, ein leidenschaftlicher Humanist
Lesung mit Professor Wladyslaw Bartoszewski aus seinem Buch Und reiß uns den Hass aus der Seele
Eine Welle der Sympathie schlug in der Magdeburger Erich-Weinert-Universitätsbuchhandlung dem polnischen Humanisten, Wissenschaftler, Journalisten und Politiker Wladyslaw Bartoszewski entgegen, als er mit einer Lesung aus seinem jüngst erschienenen Buch Und reiß uns den Hass aus der Seele begann. Viele junge Leute, Mitarbeiter und Studenten der Fakultät für Geistes-, Sozial- und Erziehungswissenschaften (FGSE), Mitglieder der deutsch-polnischen Gesellschaft und viele interessierte Magdeburger wollten einen Menschen erleben, der sich 50 Jahre seines Lebens aktiv für die Aussöhnung von Deutschen und Polen eingesetzt hat. Dass dies am Vorabend des 15. Jahrestages der Deutschen Einheit stattfand, unterstrich die Bedeutung dieser Veranstaltung, die u.a. auf Initiative der FGSE stattfand.
Wladyslaw Bartoszewski, der das KZ Auschwitz überlebte, am Aufstand im Warschauer Ghetto teilnahm, nach dem Krieg sieben Jahre interniert und während der kommunistischen Herrschaft in Polen mehrmals in Haft war, gehörte zu der kleinen Gruppe couragierter Menschen, die sich nach 1945 bemühten, das tragische Erbe der Vergangenheit zu überwinden und neue Wege in eine gemeinsame friedliche Zukunft aufzuzeigen.
Vorsichtige Annäherung
In Ausschnitten aus seinem Lebensbericht ging der ehemalige polnische Außenminister, der zwölf Jahre an deutschen Universitäten lehrte, besonders auf die vorsichtige Annäherung zwischen Deutschen und Polen ein. Dabei wurden die Initiativen im Rahmen der christlichen Kirchen – "Aktion Sühnezeichen" in der DDR und "Pax Christi" in der BRD – als besonders bedeutsam gewertet.
Prof. Bartoszewski schilderte seine Begegnungen mit deutschen Kriegsverbrechern in polnischen Gefängnissen nach 1945, erzählte in bewegenden Worten von der Begegnung mit einer Jüdin und ihrer christlichen Versöhnungsbotschaft in einem Gedicht, das mit den Worten "Und reiß uns den Hass aus der Seele" endet und von seiner Hochachtung für Hans und Sophie Scholl und ihrem Wirken in der Widerstandsgruppe "Die weiße Rose".
Immer wieder hob Wladyslaw Bartoszewski hervor, dass die Unterstützung dessen, was Menschen miteinander verbindet, wichtig ist und das Gemeinsame immer im Vordergrund stehen muss. Er würdigte das Wirken des im vergangenen Jahr verstorbenen Magdeburger Sozialpädagogen Günter Särchen, der im Rahmen der "Aktion Sühnezeichen" in den 60er Jahren ein Seminar deutsch-polnischer Begegnungen außerhalb staatlicher Kontrollen unter dem "Dach" der Kirche gründete. Er erinnerte sich an Begegnungen mit vielen jungen Leuten, die ihn in Warschau besuchten, an die Zusammenarbeit mit Schulen und Hochschulen.
Neben dem Heinrich-Heine-Preis der Stadt Düsseldorf erhielt Prof. Bartoszewski im Jahre 1986 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.
Unbeugsam versöhnlich
Wie in seinem Buch zeigte sich Wladyslaw Bartoszewski auch bei dieser Lesung so, wie die deutsch-polnischen Beziehungen waren und sind: vielfältig, polarisierend, manchmal schwierig, aber immer auch faszinierend, imponierend, von tiefer Menschlichkeit geprägt und "unbeugsam versöhnlich". Heinrich Böll charakterisierte Wladyslaw Bartoszewski mit den Worten: "Er ist ein leidenschaftlicher Pole, ein leidenschaftlicher Katholik, ein leidenschaftlicher Humanist."