Computer der ersten Generation gebaut
Computerpionier Joseph Weizenbaum zum Vortrag an der Universität
Auf Einladung des VDI hielt Anfang Oktober 2005 der emeritierte MIT-Professor Joseph Weizenbaum einen Vortrag an der Universität. Die zahlreichen Besucher erlebten sozusagen eine Premiere, denn wann bekommt in Magdeburg eine Science-Publikation schon den Stempel "Revisited"? Weizenbaum griff seine vielzitierte Arbeit On the Impact of the Computer on Society (Science 176 (1972) 4035, S. 609-614) nach 33 Jahren wieder auf, wobei er feststellte, dass die Grundaussagen an Aktualität kaum eingebüßt hätten.
Wo kamen sie her?
Aber schon 1972 war die Arbeit bereits ein "Review", denn der in Berlin gebürtige und wegen rassischer Verfolgung 1936 in die USA ausgewanderte Weizenbaum war ja bereits während seines Mathematik-Studiums mit am Bau von Computern der ersten Generation beteiligt. Schließlich erlangte er – 1963 als Professor für Computer Science an das Massachusetts Institute of Technology (MIT) berufen – mit dem ersten Mensch-Maschine-Dialogsystem ELIZA Berühmtheit und – man möchte sagen – selbstverständlich war er am ersten großen Teilnehmer-Rechensystem beteiligt, aus dem das APRA-Netz, der Vorgänger des Internets, hervorging.
Man darf wohl feststellen, dass diese Science-Arbeit auch der Vorläufer jenes Buchs wurde, das ihn weltberühmt machte: Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft. Im Original Computer Power and Human Reason – nie persönlich Einfluss auf seine deutschen Titel-Übersetzungen zu haben, schmerzt Weizenbaum sehr; in Verkaufsfragen wüssten es die Verlage eben immer besser als der Autor.
Doch zurück zum Vortrag. Interessant mag es vor allem für die zahlreichen jungen Zuhörer gewesen sein, aus der Frühphase der Computer-Entwicklung und von deren Eigendynamik zu hören. Weizenbaum fand dazu ein passendes Einstein-Zitat, das er erweiterte: "Wir kratzen nicht, wo es nicht juckt. Und dann juckt es irgendwo und wir kratzen, insbesondere wenn wir die Geräte dazu haben." Heute bedenken wir schon gar nicht mehr, wo überall Computer "versteckt" sind: in der Uhr, im Backofen, im Auto ... Wie verändert das die Gesellschaft? Wollen wir, dass alles vernetzt ist oder ist es nicht schon zu spät, wenn wir es nicht wollten? Die Nebenwirkungen seien inzwischen größer als die Wirkungen! Und davor warnt uns keine Fernsehreklame. Weizenbaum fand mit der Börse, die inzwischen zum "Computer-Spiel-Casino" wurde, ein sehr gravierendes Beispiel, was durch den Computer aus einer ursprünglich positiven Börsenidee wurde.
Wo geht es hin?
Doch schlug Weizenbaum auch Auswege aus der Arbeitsplatzvernichtung durch Computer vor: Die Automatenbetreiber sollten die Lohnsteuer für den eingesparten Arbeiter weiter bezahlen! Für schlimm hält Weizenbaum, dass der Computer Großstrukturen rettete. Wäre der Computer nicht gekommen, hätte man dezentralisieren müssen.
Wo die PC-Technik hin geht, ist bei dem "immer schneller" der Rechnergeschwindigkeiten kaum prognostizierbar. Nur eines sei sicher: Wir werden uns auf den Computer verlassen. Allerdings sollten wir ihm keine Aufgaben überlassen, die mit Würde, Liebe und Vertrauen zu tun haben. Die Zuhörer lernten einen Experten kennen, der immer warmherziger Mensch blieb und zollten es mit viel Beifall.