Wie Gefühle im Kopf entstehen
Vortrag vom Humboldt-Preisträger Prof. Dr. Ray Dolan
Am Anfang des Vortrags von Prof. Ray Dolan, Direktor des Wellcome Department of Imaging Neuroscience der University College London, stand – wie es sich für einen Humboldt-Preisträger gehört – Alexander von Humboldt im Vordergrund. Humboldt gilt als einer der letzten Universalgelehrten, wobei Prof. Dolan insbesondere die Beiträge Humboldts würdigte, die zentrale Impulse für die Darwinsche Evolutionstheorie sowie für die erste ernst zu nehmende Theorie der Emotionen von William James lieferten. Letztere betrachtet Emotionen als eine seelische Reaktion auf Körperzustände, die nicht willentlich beeinflussbar sind. Die Arbeitsgruppe von Prof. Dolan konnte mittels funktioneller Kernspintomographie zeigen, dass die Verarbeitung von emotional bedeutsamen Stimuli, wie z.B. Gesichtern, in der Mandelkernregion des Gehirns erfolgt, wobei der emotionale Gehalt der Stimuli entscheidend ist und nicht die Tatsache, dass emotionale Stimuli zu gesteigerter Aufmerksamkeit führen. In einer weiteren Studie konnte Prof. Dolan in Zusammenarbeit mit dem Magdeburger Hirnforscher Dr. Tömme Noesselt, Klinik für Neurologie II, zeigen, dass emotionale Stimuli zu verbesserter visueller Informationsverarbeitung führen. Ein derartiger Verbesserungseffekt ließ sich bei Patienten mit geschädigtem Mandelkernkomplex nicht finden. In diesem Zusammenhang wies Prof. Dolan auch auf die evolutionstheoretischen Implikationen dieser Befunde hin. In weiteren Studien konnte Prof. Dolan die Rolle des Mandelkernkomplexes und des Orbitofrontalen Kortex bei der emotionalen Bewertung von erlernten Tatsachen aufklären.
Mandelkernkomplex
Warum brauchen wir Emotionen? In einem weiteren Teil seines Vortrags diskutierte Prof. Dolan die Rolle der Bewertung emotionaler Erfahrungen. Im Rahmen von Untersuchungen über Schmerzempfindungen konnte Prof. Dolan hierbei zeigen, dass der Mandelkernkomplex nicht nur bei der Verarbeitung von negativen Emotionen, wie zum Beispiel Angst, eine zentrale Rolle spielt, sondern auch bei durch nachlassenden Schmerz ausgelösten positiven Emotionen beteiligt ist. Der Mandelkernkomplex erweist sich somit als zentrale Hirnstruktur für die Bewertung von emotionalen Sachverhalten.
Im weiteren berichtete Prof. Dolan über Experimente, die ein zentrales Postulat der Emotionentheorie von William James adressieren, nämlich dass emotionale Zustände die körperliche Introspektion beeinflussen. Hierfür wurde die hämodynamische Hirnantwort bei Probanden untersucht, die körpereigene Abläufe, wie den eigenen Puls beobachten sollten. In diesen Experiementen fanden sich Aktivierungen im anterioren Inselkomplex sowie in der rechten Mandelkernregion. Die Tatsache, dass emotionale Kernstrukturen bei der Introspektion involviert sind, scheint die Vorstellungen von William James zu bestätigen.
In weitern Studien konnte Prof. Dolan experimentell belegen, dass Gefühle wie Empathie vom emotionalen Kontext abhängen. Beim Vergleich der aktivierten Hirnstrukturen beim Erleben von eigenem Schmerz im Gegensatz zu Schmerzen, die vom Partner erlebt werden zeigten sich gemeinsame Aktivierungen im anterioren Gyrus cinguli und in der antrioren Insula. Diese
Strukturen sind neben dem Mandelkernkomplex wichtige Bestandteile des emotionalen Netzwerks, die beim Empfinden von Empathie eine essentielle Rolle zu spielen scheinen. In einer aktuellen Studie untersuchte Prof. Dolan ob es geschlechtsbedingte Unterschiede in der emotionalen Verarbeitung gibt. Vorläufige Befunde hierbei legen nahe, dass Frauen generell mehr Empathie zeigen als Männer.
Ökonomische Entscheidungen
Im letzten Teil seines Vortrags ging Prof. Dolan auf die Bedeutung von Emotionen bei der ökonomischen Entscheidungsfindung ein. Von besonderem Interesse ist dabei, dass vor allem das Gefühl des Bedauerns (bzw. dessen Vermeidung) zu einer Abweichung von optimalen ökonomischen Strategien führt. Auch hier fanden sich Aktivierungen im Mandelkernkomplex sowie im medialen orbitofrontalen Kortex. Eine Läsion in der letzteren Struktur bei Patienten hatte übrigens das Verschwinden von emotionsbedingten Abweichungen von Optimalstrategien zur Folge. Bei derartigen Patienten waren Entscheidungsfindungsprozesse von Emotionen wie Bedauern völlig unabhängig.