Zellfunktionen in der Schwerelosigkeit
Magdeburger Mediziner bei Parabelflug dabei
Prof. Dr. Dr. Oliver Ullrich vom Institut für Immunologie und sein Team starten durch in die Schwerelosigkeit. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat ein Forschungsprojekt des Magdeburger Wissenschaftlers für die 8. DLR-Parabelflugkampagne vom 15. bis 26. Mai 2006 ausgewählt. Die Experimente werden an Bord eines speziell für Parabelflüge konzipierten Airbus A300 ZERO-G durchgeführt.
Experimente am Boden
Das Projekt von Professor Ullrich untersucht den Einfluss der Schwerkraft auf Prozesse der Signalübertragung in Zellen des Immunsystems. „Da die Schwerkraft seit Existenz der Erde auf jedes Lebewesen und jede Zelle einwirkt, ist die Untersuchung des Einflusses der Schwerkraft auf Signalprozesse in Zellen eine ganz grundlegende biologische Frage", erläutert der Wissenschaftler.
Im Rahmen einer seit etwa einem Jahr existierenden Forschungskooperation der Magdeburger Wissenschaftler mit dem DLR konnten in bodengestützten Experimenten, die teilweise in Magdeburg, teilweise an Versuchseinrichtungen am DLR in Köln durchgeführt wurden, neue Einblicke in die Bedeutung der Schwerkraft für die Zellfunktion gewonnen werden, die nun auf den Parabelflügen in realer annähernder Schwerelosigkeit (Mikrogravitation) bestätigt werden sollen.
Ziel des Projektes ist zum einen die Untersuchung ganz grundlegender biologischer Prinzipien der Schwerkraftwirkung auf lebende Zellen. Da aber bestimmte Zellen des Immunsystems in Schwerelosigkeit praktisch funktionsunfähig werden, soll hier auch vor allem nach neuen Signalwegen geforscht werden, die Zellen des Immunsystems regulieren. Prof. Ullrich dazu: „Diese Signalprozesse zu kennen, ist wichtig. Denn dann könnte man hier auf der Erde durch gezielten medikamentösen Eingriff in diese Signalwege vielleicht genau das erreichen, was im Weltraum sonst die Schwerelosigkeit macht, nämlich die Suppression von Zellen des Immunsystems.
Behandlungsmöglichkeiten
Hier könnten also neue Angriffsmöglichkeiten zur Behandlung von Krankheiten gefunden werden, die mit einer unkontrollierten oder unerwünschten Immunreaktion einhergehen, wie beispielsweise Autoimmunkrankheiten und Transplantatabstoßungen." Außerdem könnten wichtige Daten gewonnen werden, um medizinischen Problemen bei Langzeitaufenthalten in der Schwerelosigkeit, zum Beispiel an Bord der Internationalen Raumstation ISS, entgegenzuwirken.
Die Europäische Weltraumbehörde ESA hat das Forschungsprojekt der Magdeburger Wissenschaftler in den Experimentpool im Rahmen des Forschungsprogramms ELIPS-2-(European programme for Life and Physical sciences and applications utilising the International Space Station ISS) aufgenommen.
Die Kampagne
Parabelflüge waren ursprünglich für das Schwerelosigkeitstraining von Astronauten konzipiert worden, werden heute aber hauptsächlich für wissenschaftliche Experimente in Mikrogravitation und zum Testen von Raumfahrttechnologien eingesetzt. In Europa werden Parabelflugkampagnen z.B. mit einem Testflugzeug vom Flughafen Bordeaux-Mérignac in Frankreich oder vom Flughafen Köln/Bonn in Deutschland aus durchgeführt. Die DLR-Parabelflugkampagne umfasst drei Flugtage mit je drei bis vier Flugstunden, an denen jeweils 31 Parabeln geflogen werden. Dabei steigt das Flugzeug aus dem horizontalen Flug steil nach oben, drosselt die Schubkraft der Turbinen und fliegt dabei eine Parabel, bei der für etwa 22 Sekunden annähernde Schwerelosigkeit herrscht. Insgesamt stehen so bei einer Kampagne etwa 35 Minuten Mikrogravitation – im Wechsel mit normaler und doppelter Erdbeschleunigung – zur Verfügung, die Forscher für ihre Experimente nutzen können.