Immunsystem unter Kontrolle
Veröffentlichung im Neuron
In ihrem Beitrag in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Neuron stellten Magdeburger Mediziner um Prof. Dr. Dr. Oliver Ullrich, Institut für Immunologie, die Aufdeckung eines neuen Mechanismus, wie das Immunsystem im Gehirn unter Kontrolle gehalten wird, vor. Dieser Mechanismus wird von so genannten Endocannabinoiden kontrolliert und ist wahrscheinlich auch bei entzündlichen Nervenzellerkrankungen, wie der Multiplen Sklerose, beteiligt. Die in der international renommierten Fachzeitschrift veröffentlichte Arbeit (Neuron, 49, January 5, 2006) entstand aus einer Kooperation der Neuroimmunologen mit dem Institut für Neuropathologie und dem Institut für Pathologie der Medizinischen Fakultät Magdeburg sowie Forschungseinrichtungen in Berlin, Seattle und New York.
Zur Signalübertragung
Endocannabinoide wurden erst im letzten Jahrzehnt entdeckt und sind körpereigene Bindungspartner an Cannabinoid-Rezeptoren, die in verschiedenen Formen im Nerven- und Immunsystem vorkommen. Dieses System ist evolutionär wahrscheinlich uralt und wird sogar schon von Pflanzen zur Signalübertragung bei Schutz- und Abwehrreaktionen verwendet.
Auch im Immunsystem
Während bisher gut bekannt war, dass Endocannabinoide stark in die Regulation der Nervenzellfunktion eingebunden ist, gelang den Magdeburger Forschern nun der Nachweis, dass auch das Immunsystem im Gehirn unter der Kontrolle von Endocannabinoiden steht. „Denn bei Schadensprozessen im Gehirn werden diese Endocannabinoide in großen Mengen freigesetzt und schlagen dort Alarm", erläutert Prof. Ullrich. Das wiederum lockt so genannte Mikrogliazellen an, die an den Ort der Schädigung wandern, um dort normalerweise helfend einzugreifen. Hier sorgen nun die Endocannabinoide dafür, dass diese Mikrogliazellen in Schach gehalten werden, damit es zu keiner für das Nervengewebe gefährlichen Überreaktion des Immunsystems kommt. Wie diese Kontrolle nun auf molekularer Ebene funktioniert, konnten Prof. Ullrich und sein Team in ihrer jüngsten Arbeit aufklären.
Anlass zur Hoffnung
Aber noch viel mehr war ihnen gelungen nachzuweisen. Sie konnten durch Experimente am lebenden Hirngewebe zeigen, dass es durch einen Eingriff in das Endocannabinoidsystem möglich ist, Nervenzellen vor entzündungsbedingter Schädigung zu schützen, also in einer Situation, wie sie beispielsweise bei der Multiplen Sklerose vorkommt. Tatsächlich fanden die Magdeburger in Geweben von Patienten mit Multipler Sklerose auch deutliche Hinweise, dass dieser Mechanismus dort eine Rolle spielt. „Unsere Ergebnisse geben Anlass zur Hoffnung, bald viel effektiver und spezifischer in Entzündungsmechanismen im Gehirn eingreifen zu können, als das bisher möglich war", freut sich Prof. Ullrich.