Bringt Geburtenknick leere Hörsäle?
Hochschulen muss es gelingen, von außerhalb Studierende zu gewinnen
Die Hochschulen Sachsen-Anhalts stehen vor enormen Herausforderungen. Die Zahl der Berwerbungen aus dem eigenen Land steigt aufgrund des doppelten Abiturjahrganges 2007 kurzzeitig stark an. Danach jedoch halbiert sich ab 2010 infolge des Geburtenknicks in Ostdeutschland die Nachfrage nach Studienplätzen durch Landeskinder. Diese zu erwartenden Entwicklungen beim Hochschulzugang veranlassten die Landesrektorenkonferenz, eine Expertise zur künftigen Entwicklung der Studentenzahlen beim An-Institut für Hochschulforschung der Universität Halle-Wittenberg in Auftrag zu geben.
Zur Bewältigung der kurzfristigen Überlast- und Finanzierungsprobleme müssten, so die Rektoren, zusätzlich befristete Lehr- und Personalmittel zur Verfügung gestellt werden, um rasch und flexibel reagieren zu können. Zudem haben die Hochschulen derzeit die Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen, für die mit einem erhöten Betreuungsaufwand zu rechnen ist, zu bewältigen. Ohne eine temporäre Aufstockung des Lehrpersonals könne die erhöhte Nachfrage zu einer Verschärfung der Zulassungsbeschränkungen und zur Verschlechterung der Studienbedingungen führen. Die Hochschulen haben eine im Hochschulstrukturplan definierte Kapazität, die keine Spielräume für große Zuwächse vorhält. Deshalb warnten die Rektoren vor dem Risiko einer Regionalisierung oder gar Provinzialisierung. Ein „intelligentes" Aufnahmeverfahren müsse entwickelt und ein stricktes Qualitätsmanagement für alle Studiengänge durchgesetzt werden, unterstrich der Rektor, Prof. Dr. Klaus Erich Pollmann.
Jetzt Weichen stellen
„Weitsicht" forderte der Präsident der Landesrektorenkonferenz, Prof. Dr. Wilfried Grecksch, sowohl von den Hochschulen als auch von der Politik. Funktionsfähige Hochschulen gehörten zu den wichtigsten Katalysatoren für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung einer Region. Der Hochschullandschaft dürfe kein Reformstau zugemutet werden. „Jetzt müssen die Weichen gestellt werden." Denn die scheinbare „Normalität", mit der Überlast in den nächsten Jahren, sei trügerisch.
Um ein Studierendenaufkommen in der heutigen Größenordnung auch nach 2010 noch erreichen zu können, muss es den sachsen-anhaltischen Hochschulen gelingen, Studierende von außerhalb zu gewinnen. Und das ab sofort. Denn reisst der Zustrom erst einmal ab, ist er nur schwer wieder zu regenerieren. Zum einen sollten immer mehr Studienberechtigte aus den westlichen Bundesländern für ein Studium in Sachsen-Anhalt geworben werden. Dort nämlich gibt es bis etwa 2014 eine stark erhöhte Nachfrage nach Studienplätzen. Dabei helfen Standortfaktoren wie beispielsweise preiswerter Wohnraum. Zum anderen können auch aus dem Ausland neue Studenten gewonnen werden. Zudem sollte die Erhöhung der Studierendenquote in Sachsen-Anhalt mindestens auf den OECD-Durchschnitt von 53 % gebracht werden. Auch das Erschließen neuer akademischer Studienfelder und neuer Studienberechtigter auf dem „zweiten" oder „dritten" Bildungsweg muss ein wichtiges Projekt sein. Weiterbildung und lebenslanges Lernen können zu eigenen Säulen für die Hochschulen werden.
Wettbewerb nimmt zu
Nach 2018 ist auch ein Rückgang der Studienberechtigten in den westlichen Bundesländern zu erwarten. Das erhöht den innerdeutschen Wettbewerb der Hochschulen um die Studierenden zusätzlich. Die Frage nach Struktur und Aufgaben der Hochschulen wird sich deshalb gegen Ende des zweiten Jahrzehnts für die Hochschulen in ganz Deutschland neu stellen.