Endstation! Bitte einsteigen!
Prolästerrat für Studienungelegenheiten mit neuem Programm
Sie sind (fast) alle Studenten. Der sympathische Jie He, zuständig im Programm für die satirischen Weisheiten des Konfuzius, kommt sogar aus China. Sie lieben ihre Uni-Stadt. Und weil das so ist, haben sie den Magdeburgern mit bissigem Humor aufs „Maul" geschaut, sind mit kritischem Blick in der Stadt unterwegs gewesen und haben in der Politik der großen Koalition entdeckt, dass im kommunalen „Kleinen" dasselbe passiert. Sie haben Magdeburg per Straßenbahn erkundet und haben dabei den „Machdeburjer" (neu) entdeckt. Ihr Fazit nach einem Zwei-Stunden-Pointenfeuerwerk: „Endstation! Bitte einsteigen!".
Hartz IV und Fußball
Das neue Programm vom Studentenkabarett „Prolästerrat", das im nächsten Jahr seinen 35. Geburtstag feiern wird, ist über weite Strecken ein pointenreiches, freches, originell inszeniertes, hochmusikalisches und vor allem intelligentes Programm, das in den politischen Themen des von Arbeitslosigkeit, Hartz IV, Abwanderung junger Leute aus Sachsen-Anhalt, „Einsatz der Bundeswehr am Hindukusch" und Fußball-WM-Fieber geprägten alltäglichen Alltags Zustände und Umstände unserer Gesellschaft in satirischer Überhöhung aufspürt. Auch dieses Programm hat brillante Texte. Die stammen nicht nur von „Prolästerrat"-Barde Olaf Kirmes, sondern auch von den anderen „Lästerern" wie Alexandra Broneske, Anika Janakiev, Tino Kausmann und Anna Pysall.
Musikalisch hat man mit ein wenig „Verballhornung" Anleihen bei Birger Heymann (Linie 1), Mozart, Reinhard May, Ralph Siegel und Sebastian Krumbiegel genommen und auch einige schöne deutsche Volkslieder textlich und musikalisch äußerst wirkungsvoll verfremdet, wobei Enrico Körner am Piano, mit Akkordeon und Gitarre bravourös seinen Einstand als neuer Musikus (mit Spielverpflichtung) des Ensembles gibt.
Neu in der Dramaturgie des Programms ist, das die „Elektrische" im Stadtverkehr Magdeburgs immer wieder der Ort von Begegnungen ganz unterschiedlicher Menschen ist, die über das Leben, ihre Stadt, über das Verhältnis von Jungen und Alten in unserer Gesellschaft lästern. Dies übrigens in diesem Programm auf hohem schauspielerischen und vor allem bei den Kabarettistinnen (!) musikalischem Niveau.
Gespür für Pointen
„Kugelblitz" Knut Müller-Ehrecke, der zum zweiten Mal eingeladen wurde, ein Programm des Studentenkabaretts zu inszenieren, hat sich für die Texte, Lieder, für die Zwischenspiele im „Imbiss zum leckeren Wölkchen" (ähnlich wie die „günstig – ungünstig"-Dialoge in den früheren Programmen) überzeugende szenische Formen des Miteinander-Spielens einfallen lassen, bei denen er mit einem Gespür für Pointen ganz auf die Stärken der Kabarettisten-Crew setzt. Das Zuschauen und Lachen ist bei diesem Programm eine ganz besondere Freude!
Man soll gerade über ein Satire-Programm wenig verraten. Nur soviel: Szenen zwischen Fahrscheinkontrolleuren und einem Studenten in der Straßenbahn sind an Realität nicht zu überbieten (wunderbar Marko Pohlodek/Anika Janakiev), wie auch „Instrumente des Terrors" als Metamorphose des Liedes Ein bisschen Frieden (Enrico Körner/Alexandra Broneske). Ein Highlight ist unter dem Motto: Jetzt kommen die Alten „Das Erbe der Nachhut" mit Seniorinnen-Power (Anna Pysall/Alexandra Broneske/Anika Janakiev) und der Karel-Gott-Schulze Babicka. Mit dem Fragebogen zur Einbürgerung von Ausländern nach dem Vorbild von Hessen will der chinesische Student Jie He deutscher Staatsbürger werden und muss feststellen, dass man eigentlich (nach gegebenen Antworten) „alle Deutschen ausbürgern müsste". Und wie die Kabarettisten als „Heilsarmee"-Benefizveranstaltung „Wir sammeln für die Bundeswehr" mit deutschen Volksliedern den Land-, Luft- und Seeeinsatz der Bundeswehr („Wir kämpfen gegen Taliban") beschreiben, ist erstklassiges politisches Satiretheater.
Als „Special-Guest" wirkt die sechsjährige Maja Duckstein als viel versprechender Nachwuchs mit und singt hinreißend einen KiTa-Werbesong für Hasseröder Bier.
Viele Ehemalige des Kabaretts, Freunde und Wegbegleiter aus den vergangenen Jahrzehnten waren unter den Premierengästen. Nur einer fehlte: „Awi" Winkler, Gründer und mehr als 20 Jahre Prinzipal des „Prolästerrats". Schade eigentlich!