Die Visitenkarten von Zellen und Geweben

08.11.2006 -  

Veröffentlichung Magdeburger Wissenschaftler in Nature Biotechnology

Nach der Sequenzierung des Genoms zahlreicher Organismen, u. a. der des Menschen, steht die Biologie nun vor der enormen Herausforderung, das hochkomplexe Zusammenwirken der von den Genen kodierten Proteine zu entschlüsseln. Auf dem Weg zu diesem Ziel hat ein Team um Dr. Walter Schubert vom Institut für Medizinische Neurobiologie einen Durchbruch erzielt. Wie in der Online-Ausgabe der Zeitschrift Nature Biotechnology (www.nature.com/
nbt/index.html) berichtet wird, ist es dem Team gelungen, die von Dr. Schubert vor Jahren schon entwickelte Technologie MELC (Multi-Epitop-Ligand-Cartography) zu einer hohen technischen Reife zu führen. Erstmals konnten damit die räumlichen und zeitlichen Verteilungsmuster einer großen Anzahl von Proteinen in ein und derselben Zelle untersucht werden.

Leitproteine identifiziert

Es bestätigte sich die Annahme, dass Proteine innerhalb von Zellstrukturen, ähnlich wie Buchstaben einer Sprache Worte bilden, zu hochkomplexen funktionellen Einheiten, sogenannten Clustern, zusammengelagert werden. Sie ergeben für Zellen und Gewebe eine Art Visitenkarte, die den individuellen Zelltyp, die jeweiligen experimentellen Bedingungen wie auch Änderungen im Krankheitszustand widerspiegeln. Es konnten sogenannte Leitproteine identifiziert werden, die diese Cluster hierarchisch kontrollieren. Bei experimentellen oder krankhaften Veränderungen wandeln sich diese Cluster, und die Zelle kann bestimmte Funktionen, wie z. B. Zellwanderung im Falle von Krebszellen, nicht mehr oder nur in veränderter Form ausführen. Mit der neuen Technik ist ein Meilenstein in der Entschlüsselung der molekularen Netzwerke, von den Autoren "Toponom" genannt, erreicht worden.

In diesem Projekt arbeiteten ganz verschiedene Fachrichtungen und Institutionen mit dem Institut für Medizinische Neurobiologie zusammen: Die Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie und der Technologiepark "ZENIT", das Max-Planck-Institut für Mathematik in den Naturwissenschaften Leipzig sowie das "Partner Institute for Computational Biology" (PICB, Shanghai, China), ein Partner-Institut der Max-Planck-Gesellschaft und der Chinese Academy of Sciences (CAS). In dieser Zusammenarbeit wurden, wie jetzt in Nature Biotechnology veröffentlicht, unter anderem neue, diagnostisch bedeutsame Netzwerke bei entzündlichen Hautkrankheiten, bei chronischem neuropathischem Schmerz und in Tumorzellen gefunden. Außerdem konnten neue Zielproteine für die Behandlung dieser Krankheiten entdeckt werden. Neben der daraus unmittelbar ableitbaren Bedeutung der MELC-Technologie für die diagnostische und therapeutische Medizin ist hiermit erstmals klar gezeigt, dass es sich bei den gefundenen Mustern gewissermaßen um einen Kode handelt, nach dem die Proteinnetzwerke der Zelle charakterisiert werden können. Er ist dank der neuen Technik unmittelbar zugänglich für ausgefeilte mathematische Methoden der kombinatorischen Statistik und Geometrie, ein Gebiet, das von dem Ko-Autor Andreas Dress vom PICB in Shanghai speziell für die MELC-Technologie angepasst wurde. Bereichert durch die neue Technologie steht nunmehr an, die Gesamtheit der molekularen Netzwerke der Zellen - so eben auch das Toponom des Menschen - in Krankheit und Gesundheit zu entschlüsseln.
Das Projekt wurde durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung, die Deutsche Forschungsgemeinschaft und das Land Sachsen-Anhalt gefördert.

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