Neurowissenschaften und Philosophie

17.03.2007 -  

Dorothea-Erxleben-Gastprofessorin Dr. Ricarda Ines Schubotz

Die kognitiven, also nicht motorischen, Funktionen des motorischen Systems des Menschen, insbesondere des prämotorischen Cortex (Hirnrinde), ist der Forschungsschwerpunkt von Dr. Ricarda Ines Schubotz, der Dorothea-Erxleben-Gastprofessorin. Eine Fragestellung dieses neuen Forschungszweigs ist z.B., wie wir diese Hirnstrukturen nutzen, um Veränderungen in unserer Umgebung vorherzusagen, zu antizipieren - den Flug einer Mücke, das Schlagen einer Welle, eine Melodie. Das klingt zunächst etwas befremdlich, aber die empirischen Hinweise häufen sich, dass diese Funktionen tatsächlich im motorischen System wurzeln.

In Marburg und Berlin hat sie Philosophie und Germanistik studiert. Mit einem Promotions-Stipendium der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW) ging sie an das neu gegründete Max-Planck-Institut für neuropsychologische Forschung (heute MPI für Kognitions- und Neurowissenschaften) nach Leipzig. In ihrer Promotionsarbeit beschäftigte sie sich mit dem Intervallgedächnis, dem Behalten kurzer Zeitabschnitte. Von Leipzig aus promovierte Ricarda Ines Schubotz in Kognitionswissenschaften an der Universität Potsdam. Im Sommer 2004 hat sie sich in Kognitiver Neurologie, einem medizinischen Thema, habilitiert. Seit 1998 arbeitet sie vor allem mit bildgebenden Verfahren wie der funktionellen Magnetresonanztomographie.

Zwei Schwerpunkte

Für die Erxleben-Gastprofessur ist die junge Wissenschaftlerin am Max-Planck-Institut und als Privatdozentin an der Universität Leipzig beurlaubt.
Sie setzt zwei Schwerpunkte in der Lehre: Zum einen "Hirn und Handlung", da sie sich seit vielen Jahren mit den Funktionen des prämotorischen Cortex befasst, und zum anderen hat sie seit ihrem Studium neurophilosophische Interessen. Im vergangenen Wintersemester organisierte sie dazu ein Erxleben-Kolloquium, das unter dem Thema "Other Minds - Das Fremdpsychische aus zehn Perspektiven" stand. Philosophen, Psychologen, Psychiater, Soziologen, Neurowissenschaftler und Biologen aus ganz Deutschland hatten Gelegenheit vorzutragen.

Beide Interessenschwerpunkte bilden die Grundlage der Lehrangebote der Gastprofessorin in Magdeburg. Neben Seminar und Vorlesung zum Thema "Hirn und Handlung" ist es ihr ein besonderes Anliegen, ein Veranstaltungsformat zu generieren, dass Psychologen, Neurowissenschaftler und Philosophen gleichermaßen interessiert und zum interdisziplinären Austausch anregt. Ein erster Schritt dazu war das Erxleben-Kolloquium. Für das Sommersemester bereitet sie derzeit einen Workshop zum gleichen Thema vor. Zudem wird sie in einer anderen Veranstaltung der Frage nachgehen, wie philosophische Fragen derzeit in den kognitiven Neurowissenschaften aufgenommen und untersucht werden, welche Methoden und Argumente zum Einsatz kommen und wie weit sie die Forschung bringen.

Seit dem Sommer 2004 ist Dr. Schubotz Mitglied der Jungen Akademie, einem Projekt von Leopoldina und BBAW, die sich dem interdisziplinären wissenschaftlichen Diskurs widmet und sich an den Schnittstellen von Wissenschaft und Gesellschaft engagiert. Pro Jahr werden nur zehn Mitglieder für fünf Jahre hinzugewählt. Dr. Schubotz gehört einer Arbeitsgruppe zum Thema "Rhythmus" an und gründete 2006 selbst eine Arbeitsgruppe zu "Other Minds" (das Fremdpsychische). Derzeit ist sie zudem im Vorstand der Jungen Akademie, in dem sie insbesondere das Redaktionsteam des Magazins der Akademie koordiniert.

So viel Engagement beschert der Mutter einer Tochter immer einen vollen Terminkalender. Die knapp bemessene Freizeit gehört der kleinen Livia, dem Mann und Freunden. Ricarda Ines Schubotz liest sehr gern, stets Nichtwissenschaftliches zum Ausgleich, spielt Klavier, liebt es, im Grünen zu sein, geht gerne laufen und ist bekennende Hunde-Närrin.

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