Bakterien auf Microsensorchips

17.03.2007 -  

Magdeburger Wissenschaftler am Marie-Curie-Forschungsausbildungsnetz "Cellcheck" beteiligt

Diese kleinen "spiralförmigen Magenteufel" (Stern) plagen die Menschen seit Jahrtausenden. Helicobacter pylori heißen die Bakterien, die für die entzündliche Erkrankung der Magenschleimhaut verantwortlich sind, Geschwüre im Magen und Zwölffingerdarm verursachen oder auch zu Tumoren im Magen-Darm-Trakt führen können. Sie nisten sich in der Magenschleimhaut ein und verändern biochemische Abläufe in deren Zellen. Die genauen molekularen Mechanismen sind bislang noch nicht komplett verstanden. Erschwerend kommt hinzu, dass die Wechselwirkungen zwischen Bakterium und Wirtszelle oft sehr schnell ablaufen, deshalb ist eine zeitkontinuierliche Erfassung der Prozesse sehr wichtig, um die Wirkweise des Bakteriums zu verstehen und Schlussfolgerungen für die Diagnostik sowie Therapieansätze ableiten zu können. Mit herkömmlichen Messmethoden lassen sich zelluläre Veränderungen nur punktuell beobachten. Anlass für PD Dr. Thilo Kähne vom Institut für Experimentelle Innere Medizin und Diplomingenieur Thomas Jacobs, Institut für Mikro- und Sensorsysteme, neue Mikrosensorsysteme und Methoden zur automatisierten in vitro-Zellanalyse zu entwickeln und zu erproben. Ihr Forschungsprojekt zum Magenbakterium ist Bestandteil des Marie-Curie-Forschungsausbildungsnetzes mit dem Titel "Cellcheck" (On-chip cell handling and analysis), das seine Arbeit Anfang April 2007 aufgenommen hat.

Interdisziplinär

In diesem stark interdisziplinär ausgerichteten Netzwerk bündeln Wissenschaftler aus ingenieurtechnischen, biologischen und biomedizinischen Disziplinen ihre Aktivitäten, die von der Europäischen Union für vier Jahre mit 3,7 Millionen Euro gefördert werden; rund 600 000 Euro gehen an die Magdeburger Forscher. Die Projekte sind stark anwendungsorientierte Forschungsarbeiten. Ziel ist die Entwicklung neuartiger robuster Messsysteme, die ihre Anwendung in der Analyse grundlegender molekularer und zellbiologischer Mechanismen sowie bei der Zellseparation und der Überwachung von Zellkultursystemen haben werden.

"Wir stellen uns einen kostengünstigen, sterilisierbaren Einweg-Sensorchip vor, der vergleichbar mit dem Objektträger aus Glas bei einem Mikroskop in ein etabliertes Labormessgerät eingesetzt wird. Biophysikalische Eigenschaften werden so mittels Mikrosensoren kontinuierlich erfasst und in Kombination mit biochemischen und molekularbiologischen Methoden zur Aufklärung zellulärer Signal- und Regulationsprozesse genutzt", erläutert Thomas Jacob. Einsatz wird der Sensorchip primär im Labor für zellbiologische Untersuchungen finden. Also forschen für die Forschung? "Ja, so könnte man sagen", meint Dr. Thilo Kähne. "In vitro, also auf der Sensoroberfläche, werden wir eine epidermale Zellschicht wachsen lassen, diese mit unterschiedlichen Helicobacter pylori-Stämmen infizieren und die verschiedenen elektrischen Messsignale entsprechenden Zellveränderungen zuordnen. Die Herausforderung ist also die Verknüpfung von technischen Messinformationen und biologischen Prozessen." Angesichts der Häufigkeit von Erkrankungen in diesem Bereich - Statistiken gehen davon aus, das ca. 40 % der Bevölkerung in Deutschland mit Helicobacter pylori infiziert ist und etwa 10 % der Infizierten Beschwerden entwickelt - hat eine schnelle und kostengünstige Aufklärung der zellulären Wirkmechanismen des Helicobacter pylori eine große gesundheitspolitische Bedeutung.

Die Förderung im Rahmen des Marie-Curie-Forschungsausbildungsnetzes "Cellcheck" stärkt die Kooperation zwischen den Magdeburger Arbeitsgruppen von Prof. Dr. Michael Naumann, Medizinische Fakultät, und Prof. Dr. Peter Hauptmann, Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik, die im Exzellenzschwerpunkt "Dynamische Systeme" der Universität bereits seit zwei Jahren besteht.

Internationale Beteiligung

Neben den Magdeburger Forschungsgruppen sind acht weitere Partner aus Dänemark, Deutschland, Griechenland, den Niederlanden, Österreich, der Schweiz und der Slovakei an dem Forschungsvorhaben beteiligt. Von jedem Partner wird ein Nachwuchswissenschaftler betreut, der neben Forschungsaktivitäten auch in die universitäre bzw. netzwerkbezogene Ausbildung eingebunden wird.

Die Europäische Kommission fördert Marie-Curie-Forschungsausbildungsnetze (Research Training Networks, RTN) insgesamt mit einem Budget von 220 Millionen Euro. Sie müssen einen europäischen Mehrwert nachweisen und werden in einem zweistufigen Auswahlverfahren ermittelt. In erster Linie sind sie auf die Ausbildung von Nachwuchswissenschaftlern mit weniger als vier Jahren Forschungserfahrung (Doktoranden) ausgerichtet. Die Einbindung erfahrener Forscher soll zum Wissenstransfer beitragen.

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