Abenteuer Hirnforschung

17.03.2007 -  

Prof. Dr. Frank W. Ohl, Neurobiologie

Prof. Dr. Frank W. Ohl trat zum 1. Mai 2006 die C3-Professur für Neurobiologie, Schwerpunkt Neuroprothetik, am Institut für Biologie der Fakultät für Naturwissenschaften an, nachdem er einen Ruf an die Universität Münster abgelehnt hatte. Daneben leitet er die Forschungsgruppe "Neuroprothesen" am Leibniz-Institut für Neurobiologie in Magdeburg. "Unser Hauptinteresse ist, die Natur von Wahrnehmungs-, Denk- und Lernprozessen zu verstehen, und zwar insbesondere, wie die ,Hardware' unseres Gehirns diese Leistungen und Phänomene hervorbringt."

Vom Chaos in Berkeley zur kategoriellen Ordnung in Magdeburg

Frank W. Ohl hat 1995 an der Technischen Universität Darmstadt über Hirnmechanismen der Sprachverarbeitung, insbesondere der Vokalverarbeitung, promoviert. Hier und anschließend beschäftigte er sich mit der Frage, was im Gehirn bei der Verarbeitung komplexer Signale aus der Außenwelt vorgeht. Während seiner Postdoc-Zeit (1997-1998) an der Berkeley-Universität in Kalifornien hat er, in Zusammenarbeit mit Walter Freeman, Konzepte aus der nichtlinearen Dynamik (insbesondere der sogenannten "Chaos-Theorie") auf die Analyse der Hirndynamik angewandt. Mit Hilfe dieser Verfahren konnten neuronale Mechanismen der Kategorienbildung aufgeklärt werden. Die Bildung von Kategorien ist ein wichtiger Elementarprozess des Denkens und wird auch in Magdeburg weiter beforscht. "Mit diesem Forschungsprojekt wollen wir uns ganz weit von dem Reiz-Reaktions-Schema entfernen, das auch heute noch die Hirnforschung dominiert. Kategorienbildung ist in wesentlichen Merkmalen subjektiv und in jedem Falle kreativ. Wir verstehen Wahrnehmung weniger als eine Abbildung der Umwelt in uns hinein, als einen konstruktiven Prozess, mit dem wir die Bilder unserer Wahrnehmung und unseres Denkens schaffen."

Hirnforschung als interdisziplinäres Abenteuer

Professor Ohls Forschung besitzt auch anwendungsorientierte Aspekte. Seit seiner Habilitation im Jahre 2001 an der Medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke Universität beschäftigt er sich mit der Entwicklung von interaktiven sensorischen Neuroprothesen, also technischen Geräten, die mit dem Gehirn derart in Wechselwirkung treten, dass definierte Wahrnehmungen entstehen. "Ich habe Hirnforschung nie als eine Wissenschaft aufgefasst, die einer bestimmten Disziplin wie Biologie, Medizin, Psychologie oder Physik sinnvoll zugeordnet werden kann. Die Phänomene, die es zu verstehen gilt, und die wissenschaftlichen Techniken, die man zu ihrer Erforschung einsetzt, ordnen sich längst nicht mehr in die klassischen Disziplinen ein. Das stellt aber auch besondere Anforderungen an die institutionelle Organisation von Wissenschaft wie auch an die Ausbildung von Studenten. Was ich an Magdeburg so attraktiv finde, ist die Tatsache, dass bei der Schwerpunktbildung in den Neurowissenschaften dieser notwendigen Interdisziplinarität Rechnung getragen wird." Disziplinübergreifend ist Professor Ohls Forschung auch in dem Sinne, dass in seiner Arbeitsgruppe tier- und humanexperimentelle Forschungen kombiniert werden. "Es ist unsere Überzeugung, dass die Erforschung des Gehirns ein wissenschaftliches Abenteuer erster Ordnung darstellt. Ein Gefühl, dass wir auch unseren Studenten vermitteln wollen. Wir fühlten uns mehr als geschmeichelt, als uns kürzlich eine Redakteurin der Zeitschrift Nature als 'voyagers in the cortex', bezeichnete."

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