Glas und Menschen zerbrachen

17.03.2007 -  

Die "Reichskristallnacht" in Magdeburg

Über die Reaktionen der Opfer und der Täter auf die "Reichskristallnacht" in Magdeburg sprach Dr. Michael E. Abrahams-Sprod, Sidney, Australien, im Februar des Jahres auf einer Veranstaltung, zu welcher der Geschichtsverein für Magdeburg und Umland e. V. und die Universitätsbibliothek eingeladen hatten.

Dr. Abrahams-Sprod, selbst Kind von Überlebenden der Shoa, hat sich in seiner Forschungsarbeit speziell der Geschichte der jüdischen Gemeinden in Magdeburg zur Zeit des Nationalsozialismus angenommen. Auch seine Dissertation verteidigte er im Jahre 2006 zum Thema Life under Siege: The Jews of Magdeburg under Nazi Rule.

Zu diesem Zweck hat er neben vielen Zeitzeugenaussagen mannigfaltige archivalische Quellen ausgewertet. Lebten doch noch etwa 80 ehemalige Magdeburger jüdischen Glaubens in Australien.

Nach deren Aussagen bildeten die antisemitischen Pogrome vom 9. und 10. November 1938 in Magdeburg eine einschneidende Zäsur für das jüdische Magdeburg, immerhin beherbergte die Stadt eine der ältesten jüdischen Gemeinden Deutschlands. Für die Amtsträger bestand in der Folge der gewaltsamen Zerstörungen, Plünderungen, Misshandlungen und Inhaftierungen lediglich das Problem des "zerbrochenen Glases", daher wurde auch der euphemistische Begriff "Reichskristallnacht" geprägt, um das äußerlich beschädigten Stadtbild wieder herzustellen und zu nationalsozialistischer "Normalität" zurückzukehren.

Für die Magdeburger Juden dagegen bedeuteten die Untaten die Zerstörung von Menschenleben und das Ende jeglicher Hoffnung auf eine Zukunft jüdischen Lebens in Deutschland. Während die Magdeburger Juden vor diesen schrecklichen Ereignissen versuchten, selbst unter widrigsten und erniedrigendsten Bedingungen auszuhalten, sich teilweise an Deutschland, das sie als ihre Heimat ansahen, regelrecht festklammerten, waren sie nun verzweifelt und um jeden Preis bereit, in andere Länder zu fliehen, welche jedoch zumeist ihre Aufnahmekontingente begrenzt hielten. Zusätzlich galt es zahlreiche Hürden zu überwinden, welche die NS-Bürokratie errichtet hatte.

Unter dem Druck der grausamen Verfolgung kam es auch in Magdeburg zu einem Solidarisierungseffekt von Vertretern unterschiedlicher jüdischer Glaubensrichtungen, wie Orthodoxen und Liberalen, und unterschiedlichster Herkunft, wie seit Jahrhunderten ansässige Familien und eingewanderte osteuropäische Juden. Auch sind Zeichen des Überlebenswillens, wie die Einrichtung einer jüdischen Schule im April 1939 in Magdeburg, überliefert.

Einigen jüdischen Familien gelang die Flucht und ein Neubeginn, noch mehr aber fielen dem nationalsozialistischen Rassenwahn zum Opfer, so dass am Ende des II. Weltkrieges das jüdische Leben in Magdeburg fast völlig erloschen war.

Mehr über die Forschungen Dr. Abaraham-Sprods zum Leben der Magdeburger Juden in der NS-Zeit ist im neuen Jahrbuch des Geschichtsvereins für Magdeburg und Umland e.V. nachzulesen.

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