Die ,black box' Computerspiel

10.05.2007 -  

Workshop zur Analyse des komplexen Phänomens Computerspiel

Seit dem Amoklauf von Emsdetten erfahren sogenannte 'Killerspiele' eine große gesellschaftliche und mediale Aufmerksamkeit. Dominiert wird die öffentliche Diskussion dabei von populistischen und kulturkonservativen Positionen, die eine klare Verbindung zwischen Gewalttaten und Computerspielen sehen und daher ein weitgehendes Verbot fordern. Abgesehen davon, dass hier offensichtlich zwei Mediengenerationen aufeinander prallen, liegen von wissenschaftlicher Seite keine einschlägigen Forschungsergebnisse zur Wirkung von Computerspielen vor, die eine solche Vorgehensweise untermauern. Gleiches wie für die Wirkung gilt für die Frage was eigentlich ein Computerspiel ist, in welchem Verhältnis es zu anderen Medien und medialen Angeboten steht und was deren Faszination ausmacht.

Ein Forum bieten

Anliegen des Expertenworkshops Ansätze zur Analyse von Computerspielen, der vom Lehrstuhl für erziehungswissenschaftliche Medienforschung unter der Berücksichtigung der Erwachsenen- und Weiterbildung (Prof. Johannes Fromme, Alexander Unger) in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Allgemeine Pädagogik (Dr. Benjamin Jörissen) Ende März 2007 veranstaltet wurde, war es daher, ein Forum für die in Deutschland sich langsam entwickelnde Computerspielforschung zu bieten, in dem zunächst der Gegenstand 'Computerspiel' selbst im Zentrum steht. Die überaus positive Resonanz auf den Expertenworkshop zeigte sich in der Teilnehmerliste. Neben Vertretern von öffentlichen Institutionen, wie Jens Wiemken als Verantwortlicher der Internetplattform Search&Play, Andre Lange, Leiter des Computerspielmuseums (Berlin), und der EU-Referentin Monica Meier, nahmen an dem Workshop Wissenschaftler aus ganz Deutschland teil. Vertreten waren u.a. die Universitäten Bamberg, Bielefeld, Frankfurt, Siegen und die Fachhochschule Köln.

Intermediale Bezüge

Britta Neitzel setzte sich mit ästhetischen Involvierungstechniken von Computerspielen auseinander. Sie entfaltete einen umfassenden Vorschlag zu relevanten Analysedimensionen für Computerspiele, wies intermediale Bezüge dieser Dimensionen zu anderen Medien wie z.B. dem Film aus und veranschaulichte Bezüge zur Erzähl- und Musiktheorie. Die Vielzahl der von Britta Neitzel diskutierten relevanten ästhetischen Dimensionen, wie die visuelle, räumliche, temporale und emotionale, veranschaulichte deutlich die Unterkomplexität kausaler Wirkungsmodelle für Computerspiele.
Johannes Fromme diskutierte in seinem Vortrag Bausteine für eine Navigationsanalyse von Computerspielen, inwieweit der Begriff der Navigation zur Analyse von Computerspielen geeignet ist und welche Dimensionen sich über diesen aufschließen lassen. Er zeigte auf, dass formale Analysen für ein Verständnis von Computerspielen notwendig, aber nicht hinreichend sein und entfaltete das Konzept der Navigation in Anschluss an Norbert Meder. Professor Fromme schlug vor, den Interaktions- und Erzählraum von Computerspielen über Elemente, Ziele und Regeln aufzuschlüsseln und anhand von Polaritätsanalysen zu beschreiben.

Biografische Genese

Matthias Bopp zeigte in seinem Referat "Grundlagen einer erziehungswissenschaftlich ausgerichteten Handlungstheorie des Computerspiels" ein handlungstheoretisches Grundkonzept auf, in dem er unterschiedliche theoretische Ansätze zur Computerspielforschung zu integrieren versuchte. Dabei setzte er mit seinem Ansatz die biographische Genese der Nutzer und die medientechnische Entwicklung in Beziehung und erweiterte so die Analyse über einen formalen Ansatz hinaus um Prozesse der subjektiven Verarbeitung und Sinngebung. Computerspiele zeigen sich vor diesem Hintergrund als Angebote, die in Hinblick auf Lern- und Bildungspotentiale aktualisiert werden können.
Daniel Kringiel präsentierte sein Dissertationsprojekt zur multiperspektivischen Computerspielanalyse, in dem er sich mit den Ergebnissen der Game Studies auseinandersetzt. Im Rahmen seiner explorativ-pragmatischen Untersuchung überprüft er am Spiel 'Max Payne' die Leistungsfähigkeit der aus den Game Studies hervorgegangen Analysekategorien.

Hierbei versucht er zu klären, inwiefern Computerspiele einen Beitrag zur media literacy leisten.
Als Ergebnis des Workshops ist festzuhalten, dass die formale Ergründung der 'black box' Computerspiel eine wichtige Voraussetzung für qualitative Aussagen zu dessen gesellschaftlicher Relevanz darstellt. Die Frage, ob es möglich ist, das komplexe Phänomen Computerspiele und den Prozess des Spielens im Rahmen eines theoretischen Ansatzes zu erfassen, konnte nicht abschließend beantwortet werden. Vielmehr zeigte sich die Notwendigkeit, die Auseinandersetzung mit Computerspielen systematisch weiter zu verfolgen und den Workshop bald fortzusetzen.

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