Sehnsucht nach Leben und Liebe
Hair - das Musical im Opernhaus
Vor 40 Jahren brachte Hair - Das Musical das Lebensgefühl der "Make love, not war"-Generation auf die Bühne. Es ist bis heute einer der größten Broadwayerfolge und hat nichts von seiner Faszination eingebüßt. In einer mitreißenden Inszenierung ist Hair - Das Musical im 21. Jahrhundert angekommen und begeistert wie eh und je das Publikum. Das wird in der Inszenierung von Matthias Brenner zum "Verbündeten" der Akteure auf der Bühne. Immer wieder werden die Zuschauer direkt angesprochen. Claude, Berger, Sheila, Woof, Hud, Jeanie, Dionne und alle anderen vertrauen ihnen. So wird man unversehens Teil eines großen Happenings und erlebt in atemberaubenden Gesangs- und Tanzbildern mit den weltberühmten Hits, wie Aquarius, Donna, Hair, Black boys White boys und Let the sunshine in das Lebensgefühl einer Generation, die auf der Suche nach Antworten auf Fragen ist, die das Leben stellt.
Noch immer aktuell
Dieses Leben hat sich für die Jugendlichen in New York, Berlin, Tokyo oder London heute verändert. Globalisierung in allen Bereichen, Kriege in aller Welt, Klimakatastrophe, Kampf der Religionen, Extremismus, Terrorismus und Gewalt mobilisieren Widerstand. Was 1967 der Vietnamkrieg auslöste und Hair als Protest einzigartig auf die Bühne brachte, hat heute andere Namen. Wille, Mut und Kraft, dagegen etwas zu tun, sind geblieben und einen die Menschen über Ländergrenzen, Rassen und Religionen hinweg.
Regisseur Matthias Brenner und seinem Team gelingt es überzeugend, die Hair-Geschichten von damals mit dem kritischen Blick auf die Gegenwart weiterzuerzählen und dies mit symbolhaften Bildern und Metaphern. Dabei erweist es sich, dass die damals in der Hair-Story thematisierten Probleme und Konflikte nichts an Aktualität und Glaubwürdigkeit verloren haben. Der Regisseur bringt bei aller Turbulenz und ausgelassenen Fröhlichkeit in sensibel inszenierten Szenen zwischen den Jugendlichen der Gang "The Tribe" die große Sehnsucht nach irgendwas, nach "Leben spüren" auf die Bühne. Und das gelingt ihm gemeinsam mit Alexandre Torinho und Anett Münch (Choreografie) im rasanten Wechsel der Bilder wie schon bei Fame - Das Musical mit großem Erfolg. Band-Leader Ludger Nowak mit seinen exzellenten Musikern und das Ensemble von mehr als 60 Mitwirkenden auf der Bühne begeistern das Publikum. Es gelang erneut, Schauspieler (zum großen Teil mit Fame-Erfahrung), Musicaldarsteller, Mitglieder des Opernchores und des Balletts, viele Statisten, vor allem aber 18 junge Tänzer der Jazzklassen der Magdeburger Theaterballettschule zu einem Ensemble "zusammenzuschweißen". So wird optisch und akustisch die tempogeladene Aufführung zum Musicalerlebnis. Trotz soviel tänzerischer Action bleibt für die Szenen zwischen den Jugendlichen in der Gang, für die leisen Töne, für Hoffnungen, Sehnsüchte, Enttäuschungen, Rivalitäten und Freundschaften Raum. Hier zeigen Josip Culjak als charismatischer Draufgänger Berger, Christian Bo Salle als zur Rekrutierung gerufener Claude, Tabea Scholz als "Generalstochter" Sheila, Thomas Fritz Jung als langmähniger, androgyner Drogendealer Woof und alle anderen Darsteller beeindruckende schauspielerische Leistungen, die von ihren sängerischen und tänzerischen Qualitäten ausnahmslos noch übertroffen werden. Was für ein Theater und was für ein Erlebnis mit einem Musicalklassiker, dem man seine 40 Jahre überhaupt nicht anmerkt.