Über Verantwortung
Otto-von-Guericke-Vorlesung von Prof. Joseph Weizenbaum
Joseph Weizenbaums Vortrag war eher eine unterhaltsame philosophische Plauderei, bei dem der Redner seinen Gedanken freien Lauf lassend, immer wieder scheinbar vom Thema abkam. Und doch gab der deutsch-amerikanische Informatiker seinen Zuhörern eine eindringliche Mahnung mit auf den Weg: Das eigene Handeln immer wieder neu zu hinterfragen und Verantwortung zu übernehmen.
Der ehemalige Professor vom renommierten Massachussetts Institute of Technology (MIT) in den USA war Gast der Jubiläumsfeierlichkeiten zum zehnjährigen Bestehen der Arbeitsgruppe Wirschaftsinformatik an der Fakultät für Informatik und sprach zur 23. Otto-von-Guericke-Vorlesung über Die besondere Verantwortung des Informatikers.
Was seien schon zehn Jahre, fragte der Computerpionier, der als Verfasser des Programms ELIZA, mit dem er 1966 die Verarbeitung natürlicher Sprache durch einen Computer demonstrieren wollte, bekannt wurde. 1938 war die Spaltung des Atoms entdeckt worden, nur sieben Jahre später starben eine viertel Millionen Menschen durch die Atombombe. Können wir sagen, was in zehn Jahren sein wird? Heute sei der technische Fortschritt so ransant, dass er das gesamte menschliche Denken erschüttere.
Technischen Fortschritt hinterfragen
Die Menschen müssten aufmerksam sein, den technischen Fortschritt hinterfragen, Verantwortung übernehmen - vor allem die Forscher und die Mächtigen. Menschen machten Fehler, so der 84-Jährige, mächtige Menschen machten mächtige Fehler. Da denke er an George W. Busch. Den US-Präsidenten brachte er immer wieder ins Gespräch. Ignoranz, Arroganz, Machtstreben, Größenwahn führten dazu. Und die Gleichgültigkeit, die in den schlimmen Jahren der deutschen Geschichte auch zum Naziregime führte. Joseph Weizenbaum mahnte immer wieder die Verantwortung eines jeden Einzelnen an. Eine besondere Verantwortung aber schrieb Joseph Weizenbaum den Informatikern zu, weil sie an Waffensystemen mit arbeiteten, menschenähnliche Roboter bauten, sie denken würden, alles zu verstehen, was sie programmieren können.
Was ist Information? Nicht das, was wir tagtäglich in Zeitungen, im Fernsehen oder per Computer im Internet fänden, so der Informatiker. Das seien nur Signale. Diese durch das menschliche Gehirn interpretiert, würden zur Information. Wie kann man über die Information nachdenken, sich kritisch mit ihr auseinandersetzen? Indem die eigene Sprache beherrscht werde, um sich klar und deutlich zu artikulieren, um Fragen stellen zu können. Wenn junge Menschen dies nicht lernten, dann blieben sie Opfer der Halbwahrheiten und Klischees, die über die Massenmedien wie Zeitungen, Internet und Bücher verbreitet würden.
Er habe an diesem Abend viel von seinem Pessimismus weitergegeben, aber er habe auch Hoffnung, dass heute noch unlösbar scheinende Probleme doch gelöst würden, weil die Menschen gegen den Krieg in Afghanistan protestierten oder in Nordirland ein Friedensprozess in Gang gebracht wurde.