Zellen im All

08.10.2007 -  

Weltraummedizin

Erstmals versuchen deutsche und chinesische Forscher gemeinsam, eines der wichtigsten Probleme der bemannten Raumfahrt zu lösen: Sobald der Astronaut die Schwerelosigkeit erreicht, zeigen sich in den Zellen seines Immunsystems schwerwiegende Fehlfunktionen. Die Ursache dieser Störung ist bisher noch völlig unbekannt. Sind die Zellen des Immunsystems in der Schwerelosigkeit überhaupt noch in der Lage, den menschlichen Organismus zu überwachen oder lassen sie ihn weitgehend ungeschützt? Das ist die Fragestellung der deutsch-chinesischen Forschungskooperation, deren erste Stufe mit der 10. Parabelflugkampagne des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) Anfang September 2007 in Köln-Bonn startete. Dabei wurden durch wiederholte parabelförmige Flugmanöver mit extremen Steig- und Sturzflügen in einem Airbus A300 Schwerelosigkeitsphasen erzeugt, in denen die Experimente durchgeführt wurden.

Parabelflüge

Prof. Dr. Dr. Oliver Ullrich, Honorarprofessor an der Medizinischen Fakultät leitete dieses internationale Vorhaben, in das hohe Erwartungen gesetzt werden. "Denn die biomedizinischen Probleme der bemannten Raumfahrt können nur gemeinsam gelöst werden", betonte Prof. Ullrich, Leiter weltraumbiologischer Forschungsvorhaben des DLR und der europäischen Raumfahrtagentur ESA, die Parabelflüge, Forschungsraketen und die Internationale Raumstation ISS umfassen. Sein chinesischer Partner ist Prof. Fengyuan Zhuang, Direktor an der renommierten Pekinger Universität für Luft- und Raumfahrt. Das Projekt soll in seiner zweiten Stufe dann im Weltraum fortgesetzt werden.
Zellen des Immunsystems patrouillieren ständig durch den menschlichen Organismus, wobei sie Tag für Tag enorme Distanzen zurücklegen. Ohne diese Zellwanderung ist Überwachung und Verteidigung des menschlichen Körpers durch das Immunsystem nicht möglich. In dem Forschungsvorhaben werden nun diejenigen Mechanismen untersucht, die dafür verantwortlich sind. Im Blickpunkt der Wissenschaftler steht dabei vor allem das Skelett der Zelle. Dieses Zellskelett, so wird vermutet, braucht, ähnlich wie das Skelett des Menschen, möglicherweise die Schwerkraft, um richtig zu funktionieren.

Interdisziplinär

Die Magdeburger Weltraumbiotechnologie ist zudem ein Beispiel einer sehr erfolgreichen Zusammenarbeit zwischen Medizinern und Ingenieuren. Wissenschaftler der Fakultät für Maschinenbau (PD Dr. Frank Engelmann und Prof. Dr. Karl-Heinrich Grote) hatten zusammen mit den Medizinern die Experimentgeräte entworfen und gebaut, die mittlerweile in mehr als 300 Parabeln zuverlässig ihren Dienst getan haben. Auf der Parabelflugkampagne kooperierte Prof. Ullrich in einem zweiten Projekt mit der Universität Witten/Herdecke (PD Dr. Kerstin Lang), in dem die Wanderung von Zellen des Immunsystems in der Schwerelosigkeit "live" beobachtet wurden.
"Aber es geht uns nicht allein um den Weltraum", betonte Prof. Ullrich, "es geht uns vielmehr auch um die Erde. Denn wir wissen zwar sehr gut, warum unsere Zellen auf all die Bedingungen angewiesen sind, die auf der Erde herrschen - Luft, Sonnenlicht, Tag und Nacht -, aber wir wissen fast gar nichts darüber, ob und wozu sie die Schwerkraft brauchen. Geht es etwa auch ohne Schwerkraft? Die Antwort auf diese Frage sollte man kennen, bevor man zum Mars fliegt. Bis dahin aber ist Forschung über die Schwerkraft nicht mehr und nicht weniger als Forschung über eines der grundlegendsten Prinzipien allen Lebens auf der Erde."

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