Ethische Werte von gestern?
Gesprächsforum über Schmiergeld und Korruption
Ist ein anonymer Hinweis über Korruptionsverdacht im eigenen Betrieb eine Denunziation, die nur das Klima verdirbt oder ist er ein notwendiger Schritt gegen eine sozial höchst schädliche Praxis? Dies war eine der Streitfragen, die bei einem Gesprächsforum des Evangelischen Hochschulbeirats über Schmiergelder und Korruption Ende November 2007 in der Universität diskutiert wurden.
"Das Leben findet anders statt"
Dabei setzte sich der Wirtschaftsethiker, Prof. Dr. Ingo Pies, aus Halle vehement dafür ein, dass in Deutschland effiziente Instrumente gegen Korruption zwingend eingeführt werden, die in vielen anderen Ländern bereits erfolgreich angewendet werden. Die wichtigsten Eckpfeiler dieses Vorschlags sind eine Kronzeugenreglung für Mittäter und eben ein anonymes Hinweissystem, bei dem Mitwisser Wirtschaftsstraftaten im Betrieb auffliegen lassen oder einen Verdacht äußern können, ohne ins Kreuzfeuer der Kollegen zu geraten. Solches "Whistleblowing" sei bei weitem erfolgreicher als alle Strafgesetze. Schließlich sei Korruption das Entwicklunghemmnis Nummer eins in der Welt und sozial überall schädlich. Deshalb solle man auch Unternehmen verpflichten, den Preis zu veröffentlichen, den sie für den Kauf von Bodenschätzen im internationalen Handel zahlen.
"Das Leben findet anders statt", reagierte darauf Matthias Gabriel, ehemaliger Wirtschaftsminister in Sachsen-Anhalt und heute Geschäftsführer eines Chemieunternehmens in Bitterfeld-Wolfen. Zum einen gelten halt anderswo in der Welt auch andere Maßstäbe und man müsse das akzeptieren, wenn man dort überhaupt Aufträge bekommen wolle. "Am Ende tragen alle die Textilien, die aus diesen Ländern kommen." Zum anderen geschehe Korruption heute in Deutschland seltener durch direkte Geldzahlung als durch Absprachen in Netzwerken und Freundeskreisen.
Stefan Caspari, Richter am Landgericht Magdeburg und Präsidiumsmitglied im Deutschen Richterbund, machte deutlich, dass Korruptionstatbestände in Deutschland strafrechtlich verfolgt werden. Die Zeiten als Schmiergelder im internationalen Geschäft noch von der Steuer abgesetzt werden konnten, seien lange vorbei. Heute gehe die Tendenz auch international deutlich in Richtung einer Ächtung jeglicher Schmiergeldzahlungen.
Noch viel zu tun
Es sei sogar zu erwarten, dass Bestechung bald weltweit verfolgt werden könne. Allerdings musste Caspari auch einräumen, dass nur einer von zehn Korruptionsfällen der Justiz überhaupt bekannt wird. Es handele sich hier um Geheimhaltungsdelikte, die naturgemäß schwer aufzudecken sind. Dafür wären mehr Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Wirtschaftskriminalität wünschenswert, denn wo mehr nachgefragt wird, werde auch mehr gefunden.
In der vom Hochschulbeauftragten der Evangelischen Kirche, Prof. Dr. Harald Schultze, geleiteten Diskussion wurde deutlich, dass wir uns in Deutschland und in der Welt auf einem Weg zur effizienten Ächtung von Korruption befinden, auf dem aber noch viel zu tun bleibt. Am Ende stand die Hoffnung, dass Prof. Pies Recht behält, wenn er sagt: "Korruptionsprävention ist schwierig, aber sie ist möglich!"