Die Seele möchte fliegen
Ausstellung im Kulturhistorischen Museum zu Marie Nathusius
Vor 150 Jahren starb Marie Nathusius (1817-1857), Pfarrerstochter aus Magdeburg und Mitbegründerin der Evangelischen Stiftung Neinstedter Anstalten bei Quedlinburg. Ihrem sozialen Engagement, ihrem Wirken als Schriftstellerin und Komponistin ist die Ausstellung Die Seele möchte fliegen im Kulturhistorischen Museum gewidmet, die noch bis zum 30. März 2008 zu sehen ist.
350 Exponate
Bereits nach den ersten Recherchen wurde aus der Idee zu einer Ausstellung über Ein Frauenleben zwischen Anpassung und Aufbruch, so ihr Untertitel, ein Konzept zu einer komplexen Schau über eine ganze Epoche, berichtet der Museumsdirektor, Prof. Matthias Puhle. Die 350 Exponate auf den 750 Quadratmetern Ausstellungsfläche veranschaulichen das Leben einer frommen, dienenden und zugleich selbstbewussten Frau in den Zeiten des Biedermeier und ordnen es ein das vom politischen und sozialen Umbruch geprägte frühe 19. Jahrhundert. Voller Menschenliebe fand Marie Nathusius ihre eigenen praktischen Antworten auf die Massenarmut zu Beginn der industriellen Revolution, deren Auswirkungen vor allem auf die Kinder und auf die Auseinandersetzung um die Rolle der Frau in der Gesellschaft.
Keine Emanze
Dennoch sei Marie Nathusius keine Emanze gewesen, unterstreicht Prof. Eva Labouvie vom Institut für Geschichte, der die wissenschaftliche Betreuung der Ausstellung oblag. Erste Ansätze der Frauenbewegung habe sie bereits mitbekommen. Diese gesellschaftlichen Umbrüche kämen strak in ihren schriftstellerischen Werken zum Ausdruck, erläutert Professor Labouvie. Den Frauengestalten in ihren Werken, die damals viel gelesen wurden, gab sie ganz andere Entwürfe von Lebensgestaltung. Doch im Mittelpunkt der Ausstellung stünde die Beziehung der Frau zu ihrem Mann und ihrer Familie, der ganz klassische Anspurch der Geslelschaft an eine bürgerliche Gattin - die Jugend in Calbe, die Heirat mit Philipp Nathusius und die gemeinsamen Reisen, ihr Zuhause auf dem Klostergut Althaldensleben, auf dem sie u.a. den verfolgten Dicher Heinrich Hoffman von Fallersleben empfing bis hin zur Gründung des Knabenrettungs- und Brüderhauses in Neinstedt.
Die Person Marie Nathusius beeindrucke ihn sehr, meint Pfarrer Jürgen Wieggrebe, Vorsteher der Neinstedter Anstalten, und jeden Morgen, wenn er in sein Arbeitszimmer komme, falle sein Blick auf das "Verlobungsbild" von Marie und Phillipp Nathusius. Er war vor vier Jahren an Mathias Puhle herangetreten mit der Idee zu einer Ausstellung über diese starke Frau und ihr Engagement für die Neinstedter Anstalten, die heute über 500 Menschen mit geistigen Behinderungen ein Zuhause geben und viele weitere Einrichtungen wie beispielsweise Werkstätten, eine Behindertenschule oder die ambulante Altenhilfe unterhalten. Durch ihren frühen Tod mit nur 40 Jahren blieb das Lebenswerk von Marie Nathusius unvollendet. Nur wenige Frauen hatten Mitte des 19. Jahrhunderts die Chance, aus dem Schatten der Familie herauszutreten und am öffentlichen Leben teilzunehemen. Sie hatte ihren Weg gefunden.
Zur Ausstellung ist ein sehr umfangreiches Begleitbuch im Mitteldeutschen Verlag Halle erschienen.