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Zwangsstörungen
Unzählige Male am Tag die Hände waschen, zum Herd oder Gashahn laufen, um zu überprüfen, ob sie abgestellt sind, Bücher, Teller, Kleidung im Schrank in symmetrische Ordnung bringen - Zwangsstörungen sind psychische Störungen, bei denen Gedanken und Handlungen sich entgegen eigener Einsicht immer wieder neu aufdrängen.
Bei der operativen Vorbereitung einer "Tiefen Hirnstimulation" haben Magdeburger Forscher erstmals die Nervenzellaktivität im sogenannten Nucleus accumbens, einem etwa 1cm großen Teil des Gehirns, registriert, während der Patient eine Aufgabe zur Handlungskontrolle durchführte. Die Nervenzellen im Nucleus accumbens, einer Mittelhirnstruktur, die zu den Basalganglien gehört, sind aktiv an der Kontrolle von Handlungen, Lernprozessen und der Entstehung von Süchten beteiligt.
Untersucht
Das Team um die Magdeburger Hirnforscher Professor Dr. Thomas F. Münte (Abteilung Neuropsychologie) und Professor Dr. Hans-Jochen Heinze (Universitätsklinik für Neurologie II) sowie den Neurochirurgen Professor Dr. Volker Sturm von der Universität zu Köln untersuchte die Nervenzellaktivität bei einem 39-jährigen Mann, der seit seinem elften Lebensjahr unter einem krankhaften Waschzwang und quälenden, sich ständig wiederholenden Gedanken litt. Im konkreten Fall sollte er mit der rechten oder linken Hand auf Buchstaben reagieren, die ihm auf einem Monitor gezeigt wurden. Machte der Patient einen Fehler, wurde eine entsprechende Veränderung im elektrophysiologischen Muster des Nucleus accumbens beobachtet. Bei Menschen, die an Zwangsstörungen leiden, sind diese Nervenzellen besonders aktiv. Seit sieben Jahren ist es prinzipiell möglich, diese Überaktivität der Nervenzellen mit Hilfe schwacher Stromimpulse aus implantierten Elektroden zu korrigieren.
Mit der Untersuchung, die erstmals am Menschen durchgeführt werden konnte, hoffen die Magdeburger Neurowissenschaftler, die Funktion dieser Hirnregion künftig besser verstehen zu können. Das ist eine Voraussetzung, um die "Tiefe Hirnstimulation" in Zukunft individuell noch genauer zu gestalten. Schwer betroffene Patienten verwenden einen Großteil ihrer Tageszeit darauf, ihre Handlungen zu kontrollieren und vermeintlich falsches Verhalten zu vermeiden.
"Die Ergebnisse der Untersuchung sind in mehrerer Hinsicht ausgesprochen interessant: Wir können damit zeigen, dass innerhalb der Zielregion der tiefen Hirnstimulation spezifisch der Nucleus accumbens an der Verarbeitung von Handlungsfehlern beteiligt ist", so der Psychologe Dr. Marcus Heldmann von der Klinik für Neurologie II, der die intraoperativen Messungen betreute. "Unsere Daten zeigen, dass zeitlich betrachtet Handlungsfehler in den Basalganglien zuerst kodiert werden, die Verarbeitung solcher Informationen in mediale Strukturen des präfrontalen Kortex aber erst 40 bis 50 Millisekunden später erfolgt."
Veröffentlicht
Dieser Kontrollmechanismus funktioniert bei gesunden Menschen vermutlich in ähnlicher Weise, "allerdings nicht in diesem pathologischen Ausmaß", so Dr. Heldmann. "Für uns sieht es so aus, dass in dem Nucleus accumbens eine Art Gewichtung ein- und ausgehender Informationen anderer Hirnregionen vorgenommen wird. Bei der ,Entdeckung' eines Fehlers wird dementsprechend der Bedeutungsgehalt zu verarbeitender Informationen in diesem Kerngebiet verändert", vermutet der Magdeburger Neuropsychologe.
Veröffentlicht wurden die Ergebnisse der Untersuchungen im Fachjournal frontiers in human neuroscience (doi:10.3389/neuro.09/011.2007).