Skurrile Geschichten
Zehnjähriges Jubiläum des Studententheaters Der Schrank
Ein bisschen satirisch, absurd, fantasievoll und auch kompliziert sind die Stücke, die seit zehn Jahren von einem außergewöhnlichen Studententheater gespielt werden. Bevor sich bei jeder Aufführung der Vorhang öffnet, rätseln die Zuschauer, was denn ein SCHRANK mit dieser studentischen Theatertruppe zu tun hat. Prof. Dr. Gudrun Goes vom Institut für fremdsprachliche Philologien, die mit einigen Enthusiasten vor zehn Jahren das Studententheater gründete erklärt das SCHRANK-Symbol: "Die erste Inszenierung war ein Stück des russischen absurden Dichters Aleksandr Wedenskij, der als Mitglied der avantgardistischen Theatergruppe OBERIU in den 20er Jahren immer mit einem Schrank auftrat. Das hat uns imponiert und so sind wir zu dem ungewöhnlichen Namen gekommen."
Russische Stücke
Die Studierenden aus verschiedenen Fakultäten der Universität spielen seither Stücke, die man (leider) auf den Theaterbühnen selten sieht: Valentin Sorokin, Daniiel Charms, Nikolaij Erdman, Nikolaj Gogol, Jewgenij Schwarz u.a. In diesem Jahr hatte als Jubiläumsinszenierung Tarelkins Tod von A. Suchowo-Kobylin im Mai Premiere, und wurde auch während der Studententage aufgeführt. Dass Studierende aus unterschiedlichen Studienrichtungen (Maschinenbau, Mathematik, Elektrotechnik, Lehramt) dabei sind, ist besonders interessant und dass vor allem russische Stücke, die noch unbekannt sind, aufgeführt werden macht einen zusätzlichen Reiz aus. In den vergangenen zehn Jahren fanden immer wieder, interessierte Studierende zur Theatergruppe und Prof. Dr. Gudrun Goes verstand es immer wieder gerade für die russische Theaterliteratur zu begeistern.
Auch Tarelkins Tod ist eine Geschichte von Menschen, wie aus einem "Panoptikum verlorener Seelen". 2002 inszenierte Gudrun Goes Nikolaj Erdmanns Stück Der Selbstmörder. Die grelle Farce Tarelkins Tod hat dasselbe Sujet - ein Mensch inszeniert seinen Tod, um weiterzuleben und seine Mitmenschen zu foppen.
Die elf Studenten agieren in 21 Rollen, wechseln blitzschnell ihre Identitäten (und auch das Geschlecht), zeigen vor allem im Ensemblespiel erstaunliche sprachliche und darstellerische Fähigkeiten, spielen den brillanten Wortwitz des Textes ohne Vordergründigkeit aus. Es ist ein großes Vergnügen Kristina Falk als Staatsrat Tarelkin zu erleben, der "stirbt", die Identität des toten Nachbarn Kopylow annimmt und als solcher für Erstaunen, Entsetzen und Wirbel sorgt. Das Hin und Her zwischen den Identitäten meisterte Kristina Falk in dieser (Doppel-)Rolle auch mit sprachlicher Bravour. Und sie hat in Jakob Förster einen schauspielerisch überzeugenden Widerpart als Minister Warrawin, der auch schon mal als Hauptmann Polutatarino auf der Jagd nach ominösen Dokumenten ist, die für Tarelkin eine Art "Lebensversicherung" sind.
Wirkliche Entdeckung
Tarelkin wird zur Gefahr und ruft die Staatsmacht auf den Plan. Der Beamtenapparat mit Raspljujew und Och (wunderschön gespielt von Nico Hagemann und Heike Schulenburg) rotiert: Es wird geprüft, untersucht, verhört, geschmiert, geboxt, geschubst und in Hinterzimmern der Macht "verhandelt". Und das in einem furiosen Spiel von skurrilen Personen, denen Tarelkin längst egal ist. Viel Situationskomik im Spiel bei Ronny Krieger (als Ludmila Brandachhlystowa), Anna Walter, Elke Albersfelder, Vivien Schwaneberg, Liane Müller und Helena Schubert. Man merkt die mehrmonatige intensive Probenarbeit und Auseinandersetzung mit dem Stück, das für das Theater eine wirkliche Entdeckung ist und in der Aufführung von "DER SCHRANK" dem zehnjährigen Jubiläum mehr als würdig.