Auf dem Wohnzimmertisch digitale Fotos sortieren
Im neuen User Interface Lab der Fakultät für Informatik werden Formen der Interaktion von Mensch und Computer erforscht
In einem abgedunkelten Besprechungsraum sitzen junge Leute um einen großen Konferenztisch. Die Finger des einen gleiten flink über die Tischplatte, schieben imaginäre Papiere hin und her. Ein anderer schreibt mit einem Stift einige Notizen auf die Tischplatte. Wer sind sie? Manager eines großen Energieversorgers? Ingenieure eines mittelständischen Automobilzulieferers? Freunde, die sich zum Anschauen von Urlaubsbildern getroffen haben? Die Szenerie scheint unwirklich und doch ist sie für das Team um Juniorprofessor Dr. Raimund Dachselt, Leiter der Stiftungsjuniorprofessur Computervisualistik/Software Engineering, bereits Realität.
Im neu eingerichteten User Interface Lab am Institut für Simulation und Graphik erforscht er mit seinen Mitarbeitern und Studenten intuitive Formen der Interaktion zwischen Mensch und Computer. Das Hightech-Forschungslabor ist u.a. mit drei großen interaktiven Tischen, Tabletops, ausgestattet. Bei dem einen handelt es sich um einen Multitouch-Tabletop, der die Bedienung einer interaktiven Oberfläche allein mit Hilfe von Berührung und Gesten verschiedener, parallel agierender Nutzer erlaubt. Die beiden anderen sind interaktive Tische, die mit Hilfe digitaler Stifte (Anoto-Technologie) bedient werden können, und an denen mehrere Nutzer parallel auf einer Tischoberfläche, die bei einem der Tische sogar senkrecht aufgestellt werden kann, arbeiten. Ein nahezu unsichtbares Muster ist auf die Tischoberfläche, die eben zugleich auch Projektionsfläche ist, gedruckt. Im Stift, der nur unwesentlich größer als ein normaler Kugelschreiber ist, befindet sich eine Infrarot-Kamera, die das kleine Punktmuster erkennt und darüber ermitteln kann, an welcher Stelle Nutzer interagieren und um welchen Nutzer es sich handelt. Ein derartiges auf Papier gedrucktes Punktmuster ermöglicht den Einsatz des digitalen Stiftes auch fernab vom Tabletop. Die einmal mit dem Stift erfassten und in ihm gespeicherten Daten lassen sich später auf den digitalen Tisch übertragen. Bisher wird diese Technik vor allem für das Ausfüllen von Formularen und für Notizblöcke verwendet.
"Diese Kombination von Papier und digitalem Tisch ermöglicht ein nahtloses Verschmelzen natürlicher Interaktionsformen", so Juniorprofessor Dr. Raimund Dachselt, der das Labor auch mit Mitteln des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft aufgebaut hat. "Und nicht zuletzt durch die ergänzende Laborausstattung mit Projektoren, Kameras, mobilen Endgeräten und alternativen Interaktionsgeräten steht ein Labor zur Verfügung, was die Erforschung sehr vielfältiger neuartiger Interaktions- und Kommunikationsformen zwischen Mensch und Maschine gestattet."
Die Verbesserung der Kombination von Stift- und Berührungsgesten auf interaktiven Tabletops sowie die Entwicklung einer verteilten Softwarearchitektur und die Nutzung alternativer Eingabetechniken für 3D-Interaktion gehören zu den Forschungsaufgaben, mit denen sich die Arbeitsgruppe von Professor Dachselt in das Verbundprojekt ViERforES, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird, einbringt.
Nutzungsmöglichkeiten für die Entwicklung neuer Interaktionsstrukturen zwischen Mensch und Technik bieten sich überall dort, wo große Informationsmengen sortiert, hinzugefügt, editiert und navigierbar gemacht werden sollen. Das kann beispielsweise in der Logistik, der Energietechnik oder im Software Engineering das Bearbeiten großer Diagramme und Modellvisualisierungen sein. Alltagsnutzern hilft die Technologie bei der Verwaltung persönlicher Medien und Dokumente. So kann ein Handy mit Hilfe von Gesten dazu gebracht werden, quasi als Fernbedienung mit einem entfernten Display zu kommunizieren. Oder es wird auf einen Tabletop gelegt und alle enthaltenen Fotos werden visuell auf den heimischen Medienserver übertragen. Künftige Nutzer können ihre Urlaubsfotos auf dem Wohnzimmertisch sortieren, indem sie diese mit den Händen verschieben, vergrößern und sich gegenseitig zeigen. Stifte erlauben es, die virtuellen Fotos zu beschriften und auf der Rückseite etwas zu notieren.