Strömungen und Oberflächen auf der Spur
Computer-Cluster rechnet 3,7 Billionen Grundoperationen in der Sekunde
Ein leistungsfähiger Computer-Cluster wurde Ende vergangenen Jahres an der Fakultät für Verfahrens- und Systemtechnik installiert. Das System der niederländischen Firma ClusterVision mit 544 Prozessoren und mehr als ein Terabyte großem Hauptspeicher eröffnet eine vollkommen neue Dimension für die Simulation realistischer Strömungen sowie für die Beschreibung physikalisch-chemischer Wechselwirkungsprozesse. Erste Tests haben eine Leistung von 3,7 TeraFlops (d.h. 3,7 Billionen Grundoperationen pro Sekunde) nachgewiesen.
Enormer Rechenaufwand
Dieser Supercomputer wurde karman genannt, zu Ehren von Theodore von Kármán, der als Pionier der modernen Aerodynamik und der Turbulenzforschung gilt. In der Nazizeit emigrierte der gebürtige Ungar in die USA, wo er jahrzehntelang die Strömungsmechanik in Forschung und Technik dominierte.
Mit dem karman-Rechencluster können am Lehrstuhl für Strömungsmechanik und Strömungstechnik (Prof. Dominique Thévenin) grundlegende Eigenschaften komplexer Strömungen, z.B. im Auftrag der Deutschen Forschungsgemeinschaft oder der Industrie, quantitativ untersucht werden. Hierfür werden die Erhaltungsgleichungen (Masse, Impuls, Energie) der Strömungsmechanik numerisch gelöst. Ein Verfahren, das weltweit Computational Fluid Dynamics genannt wird. Zum Beispiel kann der Entstehung und Fortpflanzung turbulenter Strömungen durch hochgenaue direkte numerische Simulationen dieser Gleichungen auf die Spur gekommen werden. Der resultierende Berechnungsaufwand ist enorm, sollte aber binnen Wochen von karman gemeistert werden können. Verbrennungsvorgänge, wie sie beispielhaft in Brennern oder Automotoren stattfinden, können optimiert werden, um die Schadstoffemissionen zu senken.
Auch medizinische Strömungen, vorwiegend Blutströmungen im Gehirn bei lebensgefährlichen Ausbeulungen (Aneurysmen), werden berechnet, um effiziente Behandlungsmethoden zu identifizieren.
Am Lehrstuhl für Physikalische Chemie (Prof. Helmut Weiß) hilft karman, die Eigenschaften von Oberflächen und die physikalisch-chemischen Prozessen, die sich auf ihnen abspielen, detailliert zu untersuchen. Von besonderem Interesse sind derzeit dünne Schichten aus Wasser auf Kochsalzoberflächen. Forschungen auf diesem Gebiet tragen zum besseren Verständnis klimarelevanter Prozesse in der Erdatmosphäre bei, da mikroskopisch kleine Kochsalzpartikel zu den wichtigsten Aerosolen über den Ozeanen gehören. Eine wichtige Methode zur Aufklärung dieser Fragen ist die Beugung niederenergetischer Elektronen (low energy electron diffraction). Die aussagekräftige Auswertung dieser Experimente erfordert extrem aufwendige numerische Simulationen. In diesen Rechnungen werden die Beugungsmuster vieler tausender Teststrukturen nach dem Fingerabdruck-Prinzip mit den experimentellen Daten verglichen. Mit der Rechenleistung des Clusters wird es nun möglich sein, Strukturanalysen weit effizienter durchzuführen.
Entwicklung von Modellen
Eine andere Herausforderung stellt die Simulation der molekularen Filme auf Oberflächen an sich dar, in denen das Wechselspiel zwischen einer großen Zahl von Molekülen simuliert werden muss. Am genauesten sind dabei die so genannten quantenchemischen Rechenverfahren. Sie sind numerisch so aufwendig, dass selbst die Rechenkapazität des neuen Clusters nur für die Simulation von kleinen Systemen mit einigen wenigen Molekülen ausreicht. Aufbauend auf den Ergebnissen solcher Simulationen ist allerdings die Entwicklung von Modellen möglich, die auch auf größere Systeme von tausenden von Molekülen übertragbar und dadurch für praktische Probleme extrem hilfreich sind.