Transformationsforschung
Workshop
Das aus dem Universitätsforschungsschwerpunkt Transformationsgesellschaften in Europäisierungs- und Globalisierungsprozessen hervorgegangene Zentrum für Transformationsforschung (ZFT/www.zft.ovgu.de) führte im Januar 2009 an der Universität den Workshop Stand und Perspektiven historischer und historisch vergleichender Transformationsforschung durch. Er verfolgte zwei Ziele: Zum einen die stärkere Öffnung der Forschungen des ZFT mit ihrem empirischen Schwerpunkt in den postsozialistischen Umwälzungen des 20. Jahrhunderts gegenüber geschichtswissenschaftlichen Ansätzen, zum anderen die exemplarische Diskussion historischer Transformationsfälle und ihrer komparativen Potenziale.
Postkommunismus
Dazu wurden im ersten Block der Veranstaltung auf Grundlage der Vorstellung eines programmatischen Textes des Disciplined-Contextualism-Ansatzes (Ekiert/Hanson) durch Raj Kollmorgen (Institut für Soziologie) Grundlinien, Möglichkeiten und Grenzen einer area- und historisch orientierten sozialwissenschaftlichen Postkommunismusforschung debattiert. Gefragt wurde, inwiefern dieser und vergleichbare Ansätze in der Lage sind, einen transdisziplinären Austausch und übergreifend eine historisch-vergleichende Transformationsforschung zu tragen. Dabei wurden zwar die Stärken des Raum- und Zeitdimension integrierenden Multi-Ebenen-Ansatzes von Ekiert und Hanson gewürdigt. Zugleich markierten viele Teilnehmer aber auch Schwächen des programmatischen Textes. Die Kritik richtete sich insbesondere auf die mangelnde Berücksichtigung neuer Ansätze und Forschungsperspektiven (etwa im Bereich symbolischer, informeller und diskursiver Sozialprozesse) sowie modernisierungskritischer Bewertungen postkommunistischer Transformationen.
Der zweite Block beschäftigte sich mit dem konkreten Phänomenkomplex von Staatsgründung, Staatstransformation und Staatszerfall in der Geschichte und im historischen Vergleich. Martin Dreher (Institut für Geschichte) referierte über Staatsbildung und Transformation von Staatlichkeit: die frühgriechische Polis. Dabei konzentrierte er sich auf Staatsbildung der Griechen, Transfer von Staatsbildung sowie Staatsbildung und Kolonisation. Eine zentrale These des Vortrags war, dass sich jenseits echter Kolonisierung keine Übertragungen von Staatlichkeit (z.B. Polisverfassungen oder frühen Staatsformen) in der frühgriechischen Zeit nachweisen lassen. Institutionentransfer fand demnach allein als Mitnahme bestehender Staatsordnungen statt.
Vorhaben vorgestellt
Daneben lässt sich aber auch eigenständige Staatsbildung in der Kolonisationsbewegung im 5. und 6. Jahrhundert v.Ch. nachweisen. Klaus Schlichte (Institut für Politikwissenschaft) hielt zu diesem Vortrag ein Koreferat aus der Perspektive politischer Soziologie, wobei er nach komparativen Potenzialen fragte. Er diskutierte insbesondere Ähnlichkeiten und Differenzen in der europäischen Kolonialgeschichte, Versuche der indigenen Bevölkerungen im anti-kolonialen Kampf und in der Nationalstaatsbildung auf eigene (ggf. konstruierte) Staatstraditionen zurückzugreifen sowie das Problem von Staatlichkeit als Ideologie.
Im dritten Block präsentierten neben Vorhaben im Bereich der osteuropäischen Transformationsforschung (Eckhard Dittrich, Institut für Soziologie) Jochen Stiklorus (Berlin) sein Promotionsprojekt Demokratie in Russland - eine Untersuchung ihrer Entwicklungsbedingungen aus prozesslogischer Perspektive sowie Torsten Hans und Raj Kollmorgen (Institut für Soziologie) erste Ergebnisse eines Drittmittelprojekts im Bereich der Ostdeutschland- und Vereinigungsforschung (Wahrnehmungen und Bewertungen der deutschen Einheit).
Abschließend wurden die Planungen für das Jahr 2009 beraten. Wesentliche Vorhaben sind ein weiterer Workshop Identität. Formationen und Transformationen zwischen Nation und Europa im späten Frühjahr 2009 sowie eine internationale Konferenz am 3. und 4. Juli 2009 Ereignis - Selbstdeutung - Deutung: Die Überwindung der kommunistischen Diktaturen in Europa und ihre Folgen.