Karikaturenstreit und Kopftuchfrage

26.06.2009 -  

Tagung zu Menschenrechten und Religion

Menschenrechte sind begrifflich betrachtet subjektive Rechte, dies bedeutet, dass sie den Menschen zufallen, weil sie Individuen sind und nicht weil sie einer Gemeinschaft angehören. So aufgefasst bezieht sich das Menschenrecht der Religionsfreiheit zuerst immer auf das Individuum und nicht etwa auf eine religiöse Gemeinschaft. Menschenrechte regeln die für alle akzeptablen Weisen des religiösen Zusammenlebens, und es sind die spektakulären aktuellen Fälle der Anwendung der Menschenrechte auf Religion (Karikaturenstreit, Kopftuchfrage, religiöser Fundamentalismus etc.), die die auch heute noch bestehende Spannung zwischen Menschenrechten und Religion verdeutlichen.

Große Resonanz

Unter dem Tenor solcher und ähnlicher Fragen stand das philosophische Kolloquium mit dem Titel Menschenrechte und Religion, zu dem das Institut für Philosophie Mitte Januar 2009 einlud. Auf dem Bildungsschloss Wendgräben diskutierten Studierende, Lehrerinnen und Lehrer aus dem gesamten Bundesgebiet sowie eine zwölfköpfige Delegation des "Internationalen Menschenrechtsforum Luzern" (IHRF), insgesamt rund 60 Teilnehmer, unter anderem die Referate von Professor Dr. Georg Lohman, Professor Dr. Hans Joas, Dr. Anne Duncker und nicht zuletzt das Referat des IHRF-StudentTeams aus Luzern. Die große Resonanz der Veranstaltung war nicht nur dem Thema, sondern auch dem prominentesten Vortragenden Hans Joas geschuldet.

Hans Joas weist mit dem Titel Menschenwürde als Sakralisierung der Person auf den kulturgeschichtlichen Prozess hin, dass in einer Gesellschaft dasjenige, was als fraglos gut (wertvoll) betrachtet wird, Veränderungen unterliegt. Solch eine Veränderung begegnet uns beispielsweise im Würdebegriff. Es ist geschichtlich nachzuzeichnen, so Hans Joas, dass im 18. Jahrhundert damit begonnen wurde, die als abstoßend und unerträglich empfundene Folter abzuschaffen, wobei diese vorher als legitimes Werkzeug der Wahrheitsfindung diente.

Genesis und Geltung

"Was hat sich geändert?" Die These: Das Ideal des Individuums - seine Würde wird ab dem 18. Jahrhundert als ein Heiligtum aufgefasst, also wie ein Sakrament verstanden und behandelt. Jede Person wird auf diesem Wege zu einem Sakralobjekt und nötigt damit zum Abstand. An dieser Stelle wird deutlich, dass die religiöse Praxis der Behandlung von Sakralobjekten auf die Person (das Individuum) übertragen wird, wobei durch diesen Prozess die Unantastbarkeit der Würde im heutigen Verständnis vorbereitet wird. Damit weist Joas auf den Zusammenhang zwischen Genesis und Geltung hin, der sich nicht allein am Begriff der "Würde" nachvollziehen lässt.
Neben diesen eher theoretischen Fragestellungen nutzte das IHRF-StudentTeam die Möglichkeit, sehr praxisnah über die Organisation und den Aufbau des Internationalen Menschenrechtsforum Luzern (IHRF) zu sprechen. Kernpunkte dieses Referates waren die Zielsetzungen des IHRF, die zahlreichen Tätigkeiten des IHRF-StudentTeams und - als thematisch-theoretischen Input - philosophische Fragestellungen zum Thema Menschenrechte und Religionen. Dieses insgesamt schwierige Problemfeld wird vom 5. bis 6. Mai 2009, unter Beteiligung einer Magdeburger Delegation, auf dem 6. internationalen Menschenrechtsforum in Luzern weiter diskutiert werden. Weiter Informationen dazu finden sich unter www.ihrf.phz.ch.

Letzte Änderung: 26.06.2009 - Ansprechpartner: Webmaster