Computerspiele nicht verteufeln
Mehr Medienpädagogik gefordert
Ursachen für Amokläufe wie die von Winnenden oder Erfurt sind aus Sicht des Medienforschers Prof. Dr. Johannes Fromme, Institut für Erziehungswissenschaft, in einem komplizierten Ursachengeflecht zu suchen und nicht vorschnell auf Gewaltcomputerspiele zu reduzieren. Ihrem generellen Verbot und der Verteufelung von Computern in Kinderzimmern erteilt der Professor für Erziehungswissenschaftliche Medienforschung eine Absage. Die von seinem Lehrstuhl Ende März 2009 veranstaltete internationale Konferenz Computerspiele / Spieler / Spielkulturen beschäftigte sich mit ästhetischen und kulturellen ebenso wie mit sozialen und pädagogischen Aspekten von Computerspielen. Die 130 Teilnehmer diskutierten den aktuellen Stand der Computerspielforschung, die sich erst in den zurückliegenden zehn Jahren als eigener Bereich der Medienforschung etabliert hat. Ein wichtiger Punkt dabei war die kontrovers diskutierte Frage der Computerspiel- und Online-Sucht. Die Fiktion in der virtuellen Welt mit Sucht gleichzusetzen, damit habe er ein Problem, so Professor Fromme. Wichtig sei es zu lernen, den Ausschaltknopf zu finden, wie bei allen anderen Medien auch.
Zentrale Bildungsaufgabe
Anstatt nur die negativen Aspekte der Computerspiele zu thematisieren, wurde auf der Konferenz betont, dass der kompetente Umgang mit Computerspielen, aber auch mit Internet, Handy und anderen (digitalen) Medien zu den zentralen Bildungsaufgaben der heutigen Zeit gehört. Zwar wird in der öffentlichen Diskussion häufig beklagt, dass digitale Medien in den Schulen zu wenig für Bildungszwecke genutzt werden und der öffentliche Bildungsauftrag des Fernsehens immer mehr verloren geht. Doch trotz aller Klagen über ethisch fragwürdige Medienangebote und zunehmenden Datenmissbrauch geschieht faktisch viel zu wenig. Nach wie vor gibt es keine Mediengrundbildung in der Ausbildung pädagogischer Fachkräfte. Einzelne Modellprojekte und Förderungen sind wichtig, reichen aber nicht aus. Es ist ein krasser Missstand, dass es in der Breite gesehen keine nachhaltig verankerte Medienpädagogik gibt.
Aus diesem Grund haben sich die wichtigsten Fachverbände und Einrichtungen im Bereich der Medienpädagogik - die Kommission Medienpädagogik in der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft, die Fachgruppe Medienpädagogik in der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, die Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK), das JFF - Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis sowie das Hans-Bredow-Institut für Medienforschung - zusammengetan und ein Medienpädagogisches Manifest formuliert.
Verbindlich in Ausbildung
Sie fordern eine medienpädagogische Grundbildung als verbindlichen Bestandteil der Ausbildung pädagogischer Fachkräfte, verstärkte Anstrengungen in den Einrichtungen der Elementarpädagogik, der Schule sowie in der Jugend-, Familien- und Elternbildung. Nachhaltig auszubauen ist die Medienpädagogik an den Hochschulen, um einer qualitativ hochwertigen Forschung und Reflexion über die Medien das notwendige Gewicht zu geben. Einen besonderen Schwerpunkt stellen medienpädagogische Angebote für Heranwachsende aus Migrationskontexten und bildungsbenachteiligten Milieus sowie Angebote zur geschlechtersensiblen Arbeit dar. Medienpädagogik ist in der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit erheblich mehr zu fördern.
Auf Bildung setzen
Die Unterzeichner des Manifests fordern nachhaltiges bildungspolitisches Handeln. "Wer neue gesellschaftliche Perspektiven - auch für die Wirtschaft - eröffnen möchte, der muss viel deutlicher als in der Vergangenheit auf Wachstum in den Bereichen Bildung und Kultur setzen. Bildung mit und über Medien gehört zentral dazu, in einer Situation, in der nahezu alle Fragen medial kommuniziert werden und gerade junge Menschen sich der Medien für ihre Orientierung und Identitätsbildung bedienen", betonte Prof. Horst Niesyto, Sprecher der Kommission Medien in der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft.