Praxis an der Uni - Uni in die Praxis

06.10.2009 -  

Germanistik im Bachelorstudiengang Kulturwissenschaften

Bachelorstudiengänge gelten als "stärker anwendungsorientiert" als die einstigen Diplom- oder Magisterstudiengänge. In kurzer Zeit sollen sie zu einem ersten berufsqualifizierenden Abschluss führen. So gibt es in diesen Studiengängen nicht nur studienergänzende Praktika, sondern auch in die akademische Lehre integrierte Praxismodule. Grundsätzlich kann man hier zwei Wege gehen, wenn die Praxis nicht nur simuliert werden soll: Man holt die Praxis in die Universität herein oder die Universität geht in die Praxis hinaus.

Autorin zu Gast

Am Institut für Germanistik war - dies ist ein Beispiel für den ersten Weg - im Sommersemester in einem theoretisch auf Michel Foucault bezogenen Seminar der Dozentin Dr. Katja Kauer "Sexualität und Wahrheit" in der Literatur seit dem 18. Jahrhundert die Schriftstellerin und Publizistin Ariadne von Schirach zu Gast. Sie hat 2007 in dem Bestseller Der Tanz um die Lust untersucht, wie sich der Sexualitätsdiskurs der Gegenwart auf alle Lebensbereiche auswirkt. Ihre provokative These lautet: Der Pornographisierung des Sexualitätsdiskurses ist weder sozial noch literarisch zu entgehen. Die Studierenden diskutierten mit der Autorin die Reichweite dieser These. Dass ein derart marginales Medium die Vorstellungen von Sexualität in der Gegenwart beherrscht, erscheint auf den ersten Blick nicht plausibel. Vor der Folie der Seminarlektüre von Texten, die von Gotthold Ephraim Lessing über den Marquis de Sade und Leopold Sacher-Masoch bis zu Klaus Mann, Elfriede Jelinek und Charlotte Roche reichten, die von den Studierenden in eigenen Texten jeweils kommentiert wurden, lässt sich der Wandel der Vorstellungen über Sexualität und die daraus resultierenden individuellen Auswirkungen leicht nachvollziehen.

Literaturnobelpreisträger

Tatsächlich, so die Zusammenfassung der gemeinsamen Diskussion mit Schirach, kann man sich von der Pornographie völlig unberührt wähnen und dennoch sind alle unbewusst durch andere Medien und soziale Vorstellungen dem pornographischen Blick permanent ausgesetzt.
Den anderen Weg beschritten die Studierenden des Seminars von PD Dr. Arnd Beise über "Deutschsprachige Literaturnobelpreisträger", die sich nicht nur mit den Schriften der bisher zwölf Preisträger von Theodor Mommsen bis Elfriede Jelinek beschäftigten, sondern ihre Studien gleich in die Praxis überführten, indem sie in einer szenischen Installation dem Publikum des Literaturhauses Magdeburg bei der Eröffnung der Ausstellung "Ich natürlich, oder?!" die Preisträger in einem lebendigen Dialog vorstellten. Ähnliche Kooperationen mit Institutionen des literarischen Lebens außerhalb der Universität, vom Halberstädter Gleimhaus über das Theater der Landeshauptstadt bis hin zum Forum Gestaltung, sind am Institut für Germanistik trotz des eklatanten Lehrkräftemangels eine bewährte Übung geworden.
Die vielbeschworene Einheit von Forschung und Lehre der Universität nach Humboldt'schem Muster ist in den Bachelorstudiengängen der sogenannten "Bologna"-Universität der Einheit von Lehre und Praxis gewichen; stärker forschungsorientiert ist dagegen der konsekutive Masterstudiengang, der im Wintersemester 2009/2010 unter dem Titel Kultur, Transfer und Intermedialität am Institut für Germanistik startet. Die stärkere Auseinandersetzung mit der Praxis im Bachelorstudiengang bereitet, so die Überzeugung der Literaturdozenten am Institut für Germanistik, die Studierenden besser auf die kulturwissenschaftliche Forschung vor, als es ein rein theoretisch, lediglich an Lehrbuchinhalten orientiertes Studium könnte.

Letzte Änderung: 06.10.2009 - Ansprechpartner: Webmaster