Eine Erfahrung fürs Leben
Auslandssemester in Indien
Zwischen der Universität Magdeburg und der University of Mumbai besteht eine langjährige Austauschpartnerschaft für Lehrende und Studierende. Wohl deshalb gestaltete sich das Bewerbungsverfahren für einen Studienplatz für mein Auslandssemester recht unkompliziert. Zwar war die Webseite der Universität Mumbai sehr wenig hilfreich, doch ließen sich u.a. mit Hilfe der anderen Austauschstudenten alle Formalitäten klären (z.B. Learning Agreement). Auch das Studentenvisum ist mit Einladung von indischer Seite kein Problem. Ursprünglich war geplant, dass ich im ICSSR, dem Uni-eigenen Wohnheim auf dem Campus wohne. Letztendlich habe ich mir eine eigene Wohnung in walking distance zur Uni gesucht.
Nach einem etwas holprigen Beginn an der Uni konnte ich drei interessante Kurse mit jeweils vier Zeitstunden pro Woche absolvieren: International Organisations, International Politics und Public Policy. Veranstaltungen sind in Mumbai eher als Vorlesungen konzipiert und beruhen zum größten Teil auf Frontalunterricht. Anwesenheit, eine aktive Mitarbeit im Unterricht und dessen gründliche Vorbereitung lassen sich aber in der Regel kaum finden, denn das Politikinstitut (anders als beispielsweise die Psychologie) verpflichtet nicht zur Teilnahme an den Lehrveranstaltungen. Außerdem musste ich ein von mir als überbewertet abgetanes Klischee bestätigt finden.
Auf dem Campus
Vieles ist in Indien zwar festgeschrieben, aber doch Verhandlungssache, so auch die Unterrichtszeiten. So habe ich mich jeden Morgen zu 10 Uhr in das Gebäude begeben, um dann zu warten, ob der Professor kommt, ob dann auch noch genug Studenten kommen und ob zusätzlich beide Parteien darüber übereinstimmen, den heutigen Unterricht auch durchzuführen. Recht oft hat es an mindestens einem der drei Punkte gemangelt.
Sehr positiv war für mich der Umgang mit den von mir zu erbringenden zusätzlichen Leistungen. Ich habe zwei umfangreiche Vorträge gehalten, einige Position Papers geschrieben und sogar eine große Hausarbeit angefertigt. Außerdem ist die gute Ausstattung des Politikinstituts zu erwähnen.
Eine Studentenkultur, wie man sie aus deutschen Städten kennt, wird man in Mumbai nicht finden. Zwar versammelt der Campus alle staatlichen Master-Programme der Stadt, zusätzliche Veranstaltungen und außeruniversitäre Aktivitäten erscheinen aber im Verhältnis zur Größe der Studierendenschaft spärlich. Hin und wieder werden Theaterstücke aufgeführt, auf Initiative einer Sprachlehrerin gab es ein monatliches Filmscreening, gelegentlich erfährt man von Diskussionsrunden und Gastvorträgen, seltener von Tagungen, und daneben feiern die verschiedenen Jungen- und Mädchenwohnheime einmal jährlich ihr Bestehen. Ansonsten bleibt Bombay, mit über 20 Millionen Einwohnern, Zuwanderern aus allen Teilen Indiens und der Welt, mit maximalen Gegensätzen und dem hektischen Trubel, welcher das wirtschaftliche und finanzielle "Powerhouse" des Landes auszeichnet. In kultureller Hinsicht hat die Stadt eine Menge zu bieten.
Nachdem ich die Stadt im Groben entdeckt hatte, zog es mich natürlich hinaus in die Weite des Landes. Ich bin zweimal auf Reisen gegangen, jeweils einen Monat im Norden und im Süden. Dabei habe ich viele Dinge erlebt und gesehen, von denen ich nicht einmal hätte träumen können.
Insgesamt bewerte ich für mich das Studium an der Universität Mumbai als nicht zufriedenstellend. Komplexe Themen wurden sehr oberflächlich diskutiert und in sehr kurzer Zeit regelrecht abgehakt, obwohl ich von zwei der wohl besten Professoren des Instituts unterrichtet wurde. Auch die Universitätsbibliothek machte einen traurigen Eindruck. Für mich war also fachlich nicht viel zu holen. Wer aber fachliches Interesse am Land mitbringt und das innerhalb seiner Studienordnung auch umsetzen kann, der mag deutlich mehr vom Studienaufenthalt an der Universität Mumbai profitieren. Generell schätze ich diese Universität im Vergleich mit anderen staatlichen und besonders mit privaten Unis eher schlecht ein.
Demgegenüber war das Leben in Indien eine sehr bereichernde Erfahrung für mich. Ich habe meiner Meinung nach mehr gelernt, als mir ein Auslandssemester an jedem anderen Ort in Europa hätte bringen können. Ich bin sehr glücklich mit meiner Entscheidung, auch wenn ich fachlich keinen großen Sprung gemacht habe.