So einfach ist’s nicht!

30.12.1997 -  

Theateruraufführung von Woody Allens „Geliebte Aphrodite“

Film und Theater sind Kunstgenres, die ihre eigenen Gesetze haben. Was leinwandflimmernd oft funktioniert (oder auch nicht) muß längst nicht bühnenreif sein. Woody Allens Film „Migthy Aphrodite“ aus dem Jahre 1995 fiel nicht nur bei den Kritikern durch. Den genialen „Großstadtneurotiker“ mit dem Hang zum Psychodramatiker verstand wohl keiner so recht. Ich auch nicht.

Was war die Botschaft?

Um so skeptischer war ich angesichts der „Welturaufführung“ der von Jürgen Fischer besorgten deutschen Schauspielfassung des Filmbuchs, die jetzt in der Theaterspielstätte „Die Kugelblitze“ zu sehen ist. Und so recht habe ich nach zwei Stunden Komödienspaß mit Anlehnung an antike Tragödien auch nicht verstanden, was uns Woody Allen für eine Botschaft mitteilen will. Außer, daß alle Beziehungen wegen ihrer Beziehungslosigkeit kaputt gehen, daß es immer nur Verlierer oder Gewinner gibt und daß es gar nicht so leicht ist, mit dem Leben und so.

Man spielt in einem antiken Theater mit dem Stück, den Situationen und vor allem mit sich selbst. Aus Bademänteln und Sportdress schlüpft man aufs Stichwort der Belanglosigkeitshandlung in einzelne Rollen und versucht, der dürftigen Vorlage Theaterleben einzuhauchen. Das gelingt einem sich mehr und mehr freispielenden jungen Ensemble über weite Strecken durchaus mit Witz und Humor. Dies ist vor allem das Verdienst einer sehr genauen Personenregie von Lutz Hübner. Und so gerät die Suche des Lenni Weinrib (Knut Müller) nach der Mutter seines adoptierten Sohnes, die sich als barbieblonde Pornoqueen outet, auch zu einem Seelentrip, bei dem der Sportreporter Lenni in seiner stoischen Ruhe nicht nur seine Frau Amanda (Sabine Svoboda) verliert, sondern sich auch als eine Art „Geburtshelfer“ für das „blonde Gift“ Laura auf ihrem Weg in die Anständigkeit bewährt. Andrea Herrmann als Laura kurbelt mit ihrer (gespielten) umwerfenden Naivität alles an die Wand und reißt in ein Feuerwerk schauspielerischer Kabinettstückchen Heiko Pinkowski als tumben Boxer Kevin, den sich Lenni als „seriösen“ Ehemann für Laura ausgeguckt hat, mit und ist überhaupt die „Lachkarte“ in diesem Grand ohne Vieren.

Gutes Schauspieler-Theater

Wenn man wirklich gutes Schauspieler-Theater erleben will, dann kommt man bei diesem skurielen Stück durchaus auf seine Kosten: Johannes-Paul Kindler schmiert sich aalglatt durchs Stück, Arnim Winkler macht lederbekleidet den Zuhälter Lauras zu einer Lachnummer, Marion Gerlach ist eine sich selbst nicht ernstnehmende „Seherin Kassandra“, Gottfried Riemer stört als „Chorführer“, wo er nur kann, die kurzfristig eingesprungene Kerstin Riemann ist eine bestechend-bestechliche Adoptionsgehilfin und Karl-Heinz Girnau ist als Lennis jovialer Freund Bud, die Unverbindlichkeit selbst.

Am Ende kann man sich auf einen akzeptablen Schluß nicht einigen und spielt mehrere Varianten des versöhnlichen „happy ends“ durch. Jeder für sich macht den neurotischen Unsinn á la Woody Allen komplett und das Publikum konnte sich vor Begeisterung am Premierenabend nicht halten. Na, ja. Auch mit der deutschen Lachkultur ist das so eine Sache. Magdeburg ist nicht Manhattan.

Dr. Herbert Henning

Letzte Änderung: 30.12.1997 - Ansprechpartner: Webmaster