ReicH ODER SchÖN
Fasching in der „Kiste“
Das Semester begann und damit auch die Anreisewelle in die sachsen-anhaltische Metropole an der Elbe. Darunter waren natürlich auch so einige Medizinstudenten, die wieder in der Abgeschiedenheit des Universitätsklinikums ihren studentischen Tätigkeiten nachgehen wollten. Und wer nun denkt, daß es sich hierbei ausnahmslos um das Studieren handelt, liegt knapp daneben. Denn schließlich war der November – speziell der 11.11. – gar nicht mehr weit hin, und Kenner der Szene wissen nun auch, worum es sich handelt. Der legendäre Kiste-Fasching stand vor der Tür. In den Köpfen einer Reihe von eingeweihten Medizinstudis hatten sich in den Ferien schon so einige Ideen angesammelt, die nur darauf warteten, in die Tat umgesetzt zu werden. So traf sich allabendlich in der Baracke mit dem neuen Außen- und Innenanstrich eine Gruppe von Jecken, die bei Wein und Bier das Thema des diesjährigen Faschings aus der Taufe hoben. „Reich oder Schön“ – sollte das Motto lauten. Warum auch nicht, denn zum Fasching schlüpft man doch in Rollen, die man womöglich nie im wahren Leben innehaben wird. Bei der jetzigen Politik im Gesundheitswesen werden wir wohl den ersten Punkt nie erfüllen, dachten sich die Jungmediziner, und mit Sorgenfalten auf der Stirn...
Nach vielen Abenden der Vorbereitung war es am 11.11.97 dann soweit. Noch lange vor 11:11 Uhr wurden die Gaukeleien begonnen. Am Vormittag des besagten Tages gilt es immer, die noch nicht ganz in Faschingslaune versetzten Vorlesungsbesucher für einen Kistebesuch am Abend zu motivieren und gleichzeitig etwas Stimmung in die frühmorgendlichen Vorträge der Hochschullehrer zu bringen. So zog eine Horde verkleideter und den Schlachtruf tönender junger Menschen von 8 bis 14 Uhr über das Klinikumsgelände.
Punkt 20:11 Uhr wurden die Tore (eigentlich nur die Eingangstür) der Faschingshochburg Kiste geöffnet, und zahlreiche bis zur Unkenntlichkeit verkleidete Personen bevölkerten die Innenräume. Lampenfieber hinter den Vorhängen und erwartungsvolle Gesichter vor der Bühne. Zwei propere „Blondinen“ sorgten für die Ruhe und Ordnung im Publikum und so konnte fast pünktlich um 21:11 Uhr die Eingangsmusik erklingen, und die sechs leichtfüßigen „Bördeprinzessinen“ in glänzenden Kostümen und Zylinder eröffneten die Gala, die „Night of the Proms“, die Party der Reichen oder Schönen dieses Abends. Wer bei einer Gala nicht fehlen darf, ist natürlich der Showmaster. Rocco de Coqe und seine reizende Assistentin Mandy führten durch das Programm und „ein Highlight folgte dem nächsten“. Es ist schon erstaunlich, welche Fähigkeiten in einem auswendiglernenden Mediziner so schlummern. So kam es, daß ein, den Zauberkünstlern Siegfried und Roy zum Verwechseln ähnlich sehendes, Zauberduo mit magischen Tricks die Zuschauer überraschte. Aber auch gesungen wurde von den Studis, zum Teil auch nur so getan als ob. Satire darf beim Kiste-Fasching nicht fehlen. Was den Alltag des Reichen oder Schönen bestimmt, wurde von einem Auktionator mit passenden aktuellen Wortbeiträgen versehen und zur Versteigerung angeboten. Und was ein echter Medizinerkarneval sein will, hat natürlich auch entsprechende witzig umgesetzte und übertriebene Darstellungen im Programm. Diesmal wurde der Schwesternalltag aufs Korn genommen. Nun fehlt eigentlich nur noch ‘ne Bütt’. Diese hatte in reimerischer Kleinarbeit der Campuspsychologe Professor Bernhard Sabel getextet. In sensationellem Harlekinkostüm und ganz ohne Fliege (!!!) trug er den Lebenslauf eines Professors vor, und das, was darauf noch folgt. Den krönenden Abschluß machte ein siebenköpfiges Männerballett mit seiner Tanznummer „Men in white“.
Nach dem Programm wurde noch ordentlich gefeiert. Gegen 6 Uhr morgens verließen die letzten Karnevalisten den Tatort, um hoffentlich auch im nächsten Jahr wieder dabei zu sein.
Gesine Braune