Studenten protestier(t)en

26.01.1998 -  

120 Universitäten und Fachhochschulen hatte die Protestwelle der letzten Monaten des vergangenen Jahres auf ihrem Höhepunkt erfaßt. Auch die Studierenden der Magdeburger Hochschuleinrichtungen schlossen sich den Protestaktionen an. Die Studenten der Fachhochschule gingen Anfang Dezember in Streik. Wenige Tage später entschlossen sich auch die Studiosi der Fakultät für Geistes-, Sozial- und Erziehungswissenschaften für den Ausstand. An anderen Fakultäten wurde ebenfalls auf Studentenvollversammlungen über Streik abgestimmt. Die Mehrheit entschied sich dagegen, erklärte sich aber solidarisch mit ihren streikenden Kommilitonen und unterstrich dies mit eigenen Resolutionen. Die Studierenden der Fakultät für Naturwissenschaften forderten von der Fakultätsleitung beispielsweise, die Klausel zur Zwangsexmatrikulation aus den Studien- und Prüfungsordnungen zu streichen und sich für eine bessere Ausstattung der Universitätsbibliothek einzusetzen. Letzteres war auch eine Forderung der Vollversammlung an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaft, und sie verlangte u.a. die sofortige Wiederbesetzung der vakanten Lehrstühle.

Begleitet wurde der Streik von zahlreichen Protestaktionen: Vor dem Hauptbahnhof putzten Studenten Schuhe fürs Diplom, um darauf aufmerksam zu machen, daß sich die Studienzeit verlängert, wenn für den Lebensunterhalt nebenbei gejobbt werden muß. Gemeinsam mit Magdeburger Schülern gab es einen Lampionumzug. Ein Sarg, mit dem symbolisch die deutsche Bildungspolitik zu Grabe getragen wurde, ging auf die Reise nach Bonn. Professoren boten alternative Lehrveranstaltungen an. Die Streikenden hatten wissenschaftspolitische Sprecher von Parteien sowie einen Vertreter des Kultusministeriums zur Podiumsdiskussion eingeladen. Demokratisierung der Selbstverwaltungsgremien an den Hochschulen und der freie Hochschulzugang, mit Blick auf die soziale Absicherung der Studierenden, waren die Themen. Besonders wurde kritisiert, daß die Professorenmehrheit in den Gremien noch immer gewahrt werden muß aufgrund eines Verfassungsgerichtsurteils, das 1973 gefällt wurde – zu einer Zeit als viele der heute Studierenden noch nicht einmal auf der Welt waren – so als hätten sich die Universitäten nicht entwickelt. Die in derartigen Mehrheitsverhältnissen nur geringen Möglichkeiten zur studentischen Mitbestimmung und die mangelnde Durchschaubarkeit der Gremienarbeit wurden als Gründe angeführt für die schlechte Beteiligung der Studenten an Gremienwahlen.

Der Landtag nahm die Studentenproteste zum Anlaß zu einer aktuellen Debatte in seiner Dezember-Sitzung. SPD, PDS, Bündnis 90/Die Grünen sowie Kultusminister Karl-Heinz Reck lehnten Studiengebühren ab. Reck sicherte zu, sich für eine schnelle und umfassende BAföG-Reform einzusetzen. Er riet zum Studium in Sachsen-Anhalt an gut ausgebauten Universitäten und Fachhochschulen. Walter Remmers (CDU) sprach sich für eine umfassende Strukturreform aus, denn das jetzige System entspräche nicht den Anforderungen der Zukunft an eine leistungsfähige Ausbildung. Petra Sitte (PDS) betonte, daß sich die Rahmenbedingungen ändern müßten, sonst sei es nur eine Frage der Zeit, bis alle Hochschulen gleich schlecht dastünden.

Wie geht es nun im neuen Jahr weiter? Gestreikt wird nicht mehr. Protestaktionen aber wird es, besonders mit Blick auf die Novellierung des Landeshochschulgesetzes Sachsen-Anhalts, weiter geben. Ziel ist es, das „Berliner Modell“ im Gesetz festzuschreiben. Dieses geht davon aus, daß alle Statusgruppen zu gleichen Teilen Vertreter in die Gremien entsenden. Zusätzlich werden von allen Mitgliedern der Hochschule bis zum Erreichen der Mehrheit Professoren hinzugewählt. Eine Demonstration Mitte Januar 98 vor dem Landtag untermauerte die Position der Studierenden. Weiterhin werden die während der Streikzeit gegründeten Aktionsgruppen weiterarbeiten. Hochschulpolitischer Themen wird sich weiter die Streikzeitung, dann wohl als Ex-Streikzeitung, annehmen und jeden Mittwoch gibt es ein Plenum.

Letzte Änderung: 26.01.1998 - Ansprechpartner: Webmaster