Von Kolben und Zylinderköpfen
Die Vorlesung für einen Tag in Unternehmen im Harz verlagert
Einen Bus, um in Richtung Harz zu fahren charterten im Dezember vergangenen Jahres etwa 30 Studenten. Ziel war kein Ausflug in die Winterlandschaft, sondern ein Besuch bei führenden Unternehmen in Sachsen-Anhalt. Im Rahmen der Vorlesungsveranstaltungen zu den Themengebieten Fertigungstechnik und Urformtechnik wurde die Idee geboren, neben den theoretischen Aspekten auch einmal live zu erleben, wie so etwas in der Praxis aussieht. Kurzerhand sprach man Prof. Dr. Eberhard Ambos an, der dann alles in die Wege leitete.
1. Station: Rautenbach-Guss in Wernigerode. Hier werden vorrangig Zylinderköpfe für fast alle gängigen deutschen Autos produziert. Im Jahr 1997 waren es ca. 1,2 Millionen Stück. Empfangen wurde die Studentengruppen, zu der sich auch ukrainische, russische und brasilianische Gäste sowie Mitarbeiter des Institutes für Fertigungstechnik und Qualitätssicherung (IFQ) gesellten, vom Geschäftsführer Andreas Rautenbach. Er ließ es sich auch nicht nehmen, sein Haus persönlich vorzustellen.
Viele Dinge, die in den Lehrveranstaltungen der Fertigungstechnik theoretisch vorgestellt wurden, konnten nun hier direkt gesehen und erlebt werden. Aluminium, als einer der interessantesten Werkstoffe für den Automobilbau, wird in großen Öfen erschmolzen und mittels automatischer Gießeinrichtungen in metallische Formen gefüllt. Die für die Funktion des Zylinderkopfes notwendigen Hohlräume werden durch sogenannte Kerne gefertigt, die dann nach dem Abguß wieder entfernt werden.
In einem abschließenden Gespräch nach der beeindruckenden Führung durch das Unternehmen brachte Andreas Rautenbach zum Ausdruck, daß ständig engagierte junge Ingenieure gesucht werden, wobei es oft nicht notwendig ist, daß es sich um ausgebildete Gießereispezialisten handelt. Es wies auf neue Projekte und Vorhaben des Unternehmens hin; so wird für die BMW Motorräder K 1200 RS und den Cruiser der Rahmen entwickelt und gefertigt, für die neuen Porsche-Boxter Motoren wurde der Zylinderkopf in einer Rekordzeit von nur 14 Wochen entwickelt und kann nun in Serie gefertigt werden. Eine sehr gute Zusammenarbeit des Gießereiunternehmens gibt es mit der Universität Magdeburg. Viele Fragen und Probleme konnten mit Unterstützung des IFQ und dem Institut für Werkstofftechnik und Werkstoffprüfung geklärt werden. Hierbei kommt besonders zu gute, daß in Ergänzung zu den betrieblichen Möglichkeiten die Universität über eine sehr gute Ausstattung verfügt,
2. Station: Industriepark in Harzgerode. Auch hier stand der Geschäftsführer, Dierk Behrmann, persönlich bereit für interessante Diskussionen und, um sein Unternehmen den Studenten zu präsentieren. Die ehemaligen VEB Druckguß- und Kolbenwerke Harzgerode wurden in einzelne Profitzenter aufgeteilt. Im Formenbau fanden sich Kokillen und Kernkästen wieder, die zu den Zylinderköpfen gehörten, die gerade bei Rautenbach besichtigt werden konnten. Aber auch Kolben, Kupplungsfußhebelwerke, Ölwannen und Zylinderkopfhauben werden hier gefertigt. Die Kundenliste reicht von Audi über BMW, den Maschinenbau Halberstadt bis zur Deutschen Bahn. Ein weiterer Betriebsteil recycelt alte Flaschendeckel und gewinnt das wertvolle Aluminium für eine weitere Nutzung wieder zurück.
Der Zusammenarbeit mit Hochschuleinrichtungen und insbesondere mit den Studenten schenkt Dierk Behrmann besondere Aufmerksamkeit. Er möchte hierfür ein spezielles Competenz und Creativitäts Centrum einrichten, an dem geforscht und gelehrt werden kann.
Prof. Dr. Rüdiger Bähr