Vom Molekül bis zum globalen Stoffkreislauf

13.03.1998 -  

Neue Fakultät widmet sich Stoffwandlungsprozessen

Sie wird die neunte sein, die neue Fakultät der Magdeburger Universität. Im Fokus der Forschung und Lehre an ihr werden die Verfahrens- und Systemtechnik stehen. Der Senat befürwortete im Dezember vergangenen Jahres diese Neugründung. Anfang Februar 1998 sprach sich auch das höchste Selbstverwaltungsorgan der Universität, das Konzil, für die zur Einrichtung der Fakultät notwendige Änderung der Grundordnung aus.

„Die Forschungsarbeiten an der Fakultät für Verfahrens- und Systemtechnik werden die gesamte Palette der Stoffwandlungsprozesse umfassen. Das sind all jene Prozesse, bei denen durch physikalische, chemische oder biologische Einwirkungen die Eigenschaften von Stoffen zum Zweck der anschließenden Nutzung verändert werden“, erläutert Prof. Dr. Evangelos Tsotsas, Vorsitzender der Rektoratskommission zur Fakultätsneugründung. Diese Profilierung der Universität trage weiter zur wirtschaftlichen Entwicklung der Stadt und der Region bei, schätzt Rektor Prof. Dr. Harald Böttger ein. Eine zusätzliche Bereicherung des wissenschaftlichen Umfeldes der Landeshauptstadt stelle das in Gründung befindliche Max-Planck-Institut „Dynamik komplexer und technischer Systeme“ dar. Dieses wird das erste ingenieurtechnisch orientierte Planck-Institut in der Bundesrepublik sein. Seine thematische und örtliche Nähe zur Universität läßt hervorragende Kooperationsmöglichkeiten und Synergieeffekte erwarten.

Mit der neuen Fakultät erhält eine lange verfahrenstechnische Tradition in Magdeburg eine neue Struktur. Sie vereint künftig die derzeitigen Institute für Verfahrenstechnik, Apparate- und Umwelttechnik, Strömungstechnik und Thermodynamik aus dem Bereich Maschinenbau und das Chemische Institut als naturwissenschaftlichen Teil. Wenden sich die Inhaber der an diesen Instituten angesiedelten Lehrstühle gegenwärtig insbesondere der Verfahrenstechnik poröser und disperser Stoffe sowie der Dynamik verfahrenstechnischer Prozesse und Systeme zu, möchten sie künftig die moderne Stoffwandlungstechnik vom Molekül bis hin zum global bedeutsamen stofflichen Kreislauf als Ganzes betrachten.

Ganzheitliche Analyse

Um ein verbessertes quantitatives Verständnis der Wirkung einzelner Apparate und Prozesse zu erreichen, wird zunehmend eine ganzheitliche und systemorientierte Analyse aller zum Gesamtverfahren gehörenden Teilschritte erforderlich. Ausgangspunkt ist deshalb im neuen Konzept ein detailliertes Verständnis der physikalischen, chemischen und biologischen Grundvorgänge. Zu den Professuren für physikalische Chemie, für Systemverfahrenstechnik und für Bioprozeßtechnik laufen die Berufungsverfahren. Einbezogen werden sollen zusätzlich Konzepte der Systemtechnik und Signalverarbeitung aus dem Bereich der Elektrotechnik.

Diese ganzheitliche Betrachtung der Stoffwandlung findet zahlreiche Anwendungen, zum Beispiel in der optimalen Gestaltung poröser Feststoffprodukte. Ihre Struktur bestimmt ihre Anwendung ebenso wie ihre Handhabung während des Produktionsprozesses. Eine im Milli-Mol-Maßstab von dem Chemieprofessor Dieter Schinzer und seinem Team durchgeführte Laborsynthese des Anti-Tumorwirkstoffes Epothilon A soll an der neuen Fakultät im Kilo-Maßstab reproduziert werden.

Problemlösungen

Das stellt die Chemiker sowie Verfahrens- und Systemtechniker vor schwierige Probleme: Verschiedene Reaktionsschritte verlaufen unter Tieftemperaturbedingungen und zahlreiche Trennprobleme müssen gelöst werden. Untersuchen werden die Wissenschaftler der neuen Fakultät auch den Transport, die Reaktion und die Trennung bei der Stoffumwandlung in kombinierter oder aufeinanderfolgender Form. Ebenso gehen sie der Reaktion und Stofftrennung an instabilen fluiden Grenzflächen und der Populationsdynamik in komplexen technischen Systemen nach.

Die Verbindung von klassischen Ingenieurwissenschaften mit naturwissenschaftlichen und systemtheoretischen Ansätzen spiegelt sich auch in der Ausbildung im Diplomstudiengang „Verfahrenstechnik“ wider, der zum Wintersemester 1997/98 neu eingerichtet wurde. Spezialisierungen in der Prozeß- und Systemtechnik, der Apparate- und Anlagentechnik oder der Umwelttechnik eröffnen den Absolventen breite Einsatzmöglichkeiten. Die Analogien zwischen biologischen und verfahrenstechnischen Systemen sollen in der geplanten Studienrichtung Bioprozeßtechnik vermittelt werden. Über Vorlesungen, Praktika, Übungen oder die Betreuung von Diplomarbeiten auf diesem Gebiet kann ein enger Austausch mit dem Max-Planck-Institut im Bereich der Lehre erfolgen. Pro Jahr werden 100 Studienanfänger an der Fakultät angestrebt. „Durch diese moderne Verfahrenstechnik-Ausbildung können wir hier in Magdeburg jungen Leuten ein attraktives Studium bieten und dem steigenden Bedarf der Industrie an gut ausgebildeten Verfahrensingenieuren entsprechen“, schätzt Prof. Dr. Andreas Seidel-Morgenstern, Lehrstuhlinhaber für Chemische Verfahrenstechnik, ein.

Letzte Änderung: 13.03.1998 - Ansprechpartner: Webmaster