Den Spuren auf der Spur
Rechtsmediziner diskutierten neues DNA-Analyseverfahren
Zum 18. Spurenworkshop der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin trafen sich im Magdeburger Universitätsklinikum Mitte Februar 1998 über 200 Wissenschaftler aus sieben Ländern. Unter ihnen waren die Leitungen der DNA-Abteilungen aller rechtsmedizinischen/gerichtsmedizinischen Institute der Universitäten Deutschlands, Österreichs und der Schweiz sowie des Bundeskriminalamtes und aller Landeskriminalämter (LKA).
Im Vordergrund stand die Auswertung des jährlichen Ringversuches. Im Vorfeld wurden künstliche minimale Blut-, Speichel- und Spermaspuren, z.T. als unausgewogene Mischspuren, ausgesendet. Fast alle DNA-Labore erhielten für ihre richtigen Resultate die erhofften Zertifikate, die für die Anerkennung der Gutachten im Strafverfahren erforderlich sind, darunter auch die beiden Universitätsinstitute in Magdeburg und Halle und das LKA Sachsen-Anhalts. Das wissenschaftliche Programm umfaßte 20 Vorträge, die sich mit der Einhaltung von Laborstandards, der Verhinderung von Kontaminationen und vor allem mit neuen Techniken zur Individualisierung immer kleinerer Spurenmengen beschäftigten. War vor etwa zehn Jahren noch Voraussetzung, daß man die Blutspur mit dem bloßen Auge erkennen konnte oder zehn bis zwölf ausgerissene Haare mit Wurzelanteilen aufgefunden werden mußten, genügen heute bereits unsichtbare Speichelanhaftungen oder ein Teil einer Haarwurzel für die Zuordnung zu einer Person mit einer Identitätswahrscheinlichkeit von über 99,99 %.
Bruchteil einer Zelle reicht
Mit der Sequenzierung nichtkodierender mitochondrialer (mt) DNA-Regionen wird gerade wieder ein neues Kapitel in der forensischen Spurenkunde aufgeschlagen. In jeder Zelle befinden sich zahlreiche Mitochondrien, die für den Energiestoffwechsel der Zellen verantwortlich sind. Sie enthalten je eine ringförmige DNA, die in allen Mitochondrien eines Menschen identisch ist. Davon gibt es aber im Regelfall Tausende in jeder Zelle, von der Kern-DNA finden sich jeweils nur zwei Kopien. Durch den Einsatz dieser Analysentechnik werden die Spurenzuordnungen noch einmal um mehr als eine Zehnerpotenz empfindlicher. Es genügen also nun unter Umständen bereits Bruchteile einer Zelle oder der Schaft eines einzelnen ausgefallenen Haares ohne Wurzelanteile. Nunmehr dürfte es praktisch ausgeschlossen sein, daß ein Täter am Ort des Gewaltverbrechens keine verwertbaren DNA-haltigen Spuren hinterläßt.
Datenbank anlegen
Es kann durch mtDNA-Analytik bereits mit Sicherheit festgestellt werden, daß eine Spur nicht von einer bestimmten Person stammt. Bei Übereinstimmungen der mtDNA-Sequenzen sind aber statistische Berechnungen zur Identitätswahrscheinlichkeit bisher noch nicht mit der notwendigen Sicherheit möglich, weil nicht genügend forensisch sichere Sequenzen publiziert und in einem Zentralcomputer zugänglich sind. Am Rande der Konferenz beschlossen 15 Institute aus Deutschland, Österreich und der Schweiz am Magdeburger Institut für Rechtsmedizin die erste europäische Datenbank mitochondrialer DNA-Sequenzen zur forensischen und wissenschaftlichen Nutzung einzurichten. Die Anforderungen an die juristischen, sicherheitstechnischen, objektiven und subjektiven Voraussetzungen werden gegenwärtig präzisiert. Die Magdeburger Rechtsmediziner sind optimistisch, diese Bedingungen erfüllen zu können.
Prof. Dr. Dieter Krause