Sport im Urlaub
Sportmedizinerin Heidemarie Franke gibt Hinweise
Endlich ist es soweit! Nur noch wenige Wochen, bevor der Urlaub beginnt. Eine gute Gelegenheit, auch mal etwas mehr für den eigenen Körper zu tun, meinen viele. Also nicht nur faul in der Sonne am Pool liegen, sondern körperliche Bewegung ist angesagt. Doch was sollte man beachten, bevor man etwas für die eigene Fitneß im Urlaub tun möchte? Sicherlich dürfte es nicht angebracht sein, von Null auf Hundert zu starten. Welche Regeln empfiehlt Sportmedizinerin Dr. Heidemarie Franke, Oberärztin an der Orthopädischen Universitätsklinik?
Natürlich nicht von Null auf Hundert! Das ist ein Kardinalfehler vieler Urlaubsreifer, die aus dem vollen Dienststreß ohne viel körperliche Aktivitäten in den Urlaub starten, vielleicht noch eine anstrengende Anreise auf vollgestopften Autobahnen hinter sich haben und dann einen sogenannten Aktivurlaub verbringen wollen, der all die Defizite abdecken soll, zu denen man im Laufe des Jahres keine Zeit zu haben glaubt. Ein solcher Urlaub kann sehr schnell zum Alptraum werden und im Krankenhaus enden. In der einschlägigen Literatur häufig beschrieben ist der Herzinfarkt in den ersten Urlaubstagen – oft im Zusammenhang mit körperlicher Aktivität bei Menschen mit Risikofaktoren. Meist wird auch der zusätzliche klimatische Reiz von Hochgebirge, Wasser, Wind, Wellen, Sonne oder die Zeitverschiebung unterschätzt und gleich in den ersten Tagen voll gepowert.
Gibt es einen Richtwert, wieviel sportliche Anstrengung ein untrainierter Körper verträgt?
Richtwerte für die Verträglichkeit von sportlichen Anstrengungen im Urlaub hängen natürlich sehr wesentlich von Faktoren, wie Alter, konditioneller Zustand, aktuelle Risikofaktoren des Herz-Kreislauf- und Bewegungssystems, Trainiertheitsgrad ect. ab. Für gesunde Untrainierte kann aber gelten, daß nach einer möglichst streßfreien Anreise erst nach ein bis zwei Tagen Adaptation an die klimatischen Reizfaktoren des jeweiligen Urlaubsortes körperliche Anstrengungen sinnvoll sind. Es sollten dabei Sportarten mit vorwiegend dynamischen Komponenten wie Gehen, Walking, Joggen, Softball, Tennis, Volleyball, Badminton ect. bevorzugt werden. Entsprechendes Aufwärmen ist auch in warmen Gegenden unbedingt erforderlich, um Muskelverletzungen zu vermeiden. Der erhöhte Flüssigkeitsbedarf muß bedacht werden – auch unter dem Aspekt der Thermoregulation. Als einfache, orientierende Kontrollgröße für eine effektive, gesundheitsfördernde körperliche Aktivität kann die Herzschlagfrequenz (Trainingsfrequenz = 180 – Lebensalter in Jahren/min-1) gelten oder ein Tempo, bei dem man sich noch bequem unterhalten kann. Laufen ohne zu schnaufen. Bei Vorliegen von Erkrankungen und bekannten Risikofaktoren des Herz-Kreislaufsystems sollte in jedem Fall der Hausarzt zu Urlaubsanstrengungen befragt werden.
Und Bungee-Jumping oder Fallschirmspringen am Urlaubsort. Sind diese Funsportarten für jeden geeignet?
Mit zunehmender Entwicklung zu großer Individualität des Freizeitverhaltens neigen viele Menschen auch zu ausgeflippten Aktivitäten im Urlaub und suchen in der Freizeit neue Grenzen der Selbsterfahrung. Der Traum vom Fliegen, die Selbstüberwindung und der Triumph des Erfolges gegen die Angst motivieren zu solch exotischen Aktivitäten. Sie sind aber auch mit einem hohem Gesundheitsrisiko belastet. Ursprünglich als Mutprobe der Ureinwohner der Pfingstinseln im Pazifik an Lianen ausgeführt erfreut sich Bungee-Jumping wachsender Beliebtheit. Der freie Fall aus 50 bis 150 Metern Höhe durch das zunehmend bremsende Latexseil gestoppt, ist zur High-Tech-Mutprobe geworden. Dabei kann es zu Netzhautablösungen, Trommelfellperforationen, Brustkorbkompressionen ect. kommen. In Ländern ohne strenge Sicherheitsbestimmungen sind mehrfach Todesfälle beschrieben. Also, wer den ultimativen Lebenskick als Daseinsmotivation braucht, soll es tun. Als gesundheitsfördernde Urlaubsaktivität ist es keineswegs empfehlenswert.
Es gibt mittlerweile eine breite Palette an Reiseangeboten, die den Teilnehmern sportliche Extremleistungen abverlangen. Der Urlaub mit dem besonderen „Nervenkitzel“ erfreut sich trotzdem zunehmender Beliebtheit. Wie kann man sich vor Verletzungen schützen, wenn man sich an einer Wildwasser- oder Bergsteigertour beteiligen möchte?
Reiseangebote mit Wildwasser-Rafting und extreme Bergtouren (rock-klimbing) sind nur sehr gut trainierten, gesunden Menschen zu raten, die ihre individuellen Grenzen kennen und das Spiel mit den Grenzräumen des Lebens nicht suchtartig ausleben. Um es auf den Punkt zu bringen: Eine aktive Urlaubsgestaltung mit moderat betriebenen sportlichen Aktivitäten wird erholsamer erlebt, als nur auf der faulen Bärenhaut zu liegen und in der Sonne zu schmoren. Die verträgliche Dosis an Bewegungsaktivität ist dabei sehr individuell und abhängig von Gesundheits- und Trainingszustand, Persönlichkeitsstruktur und Risikobereitschaft. Die beste Vorbeugung gegen Überbeanspruchung und Verletzungen bei körperlicher Aktivität sind deshalb am aktuellen Leistungsvermögen orientierte, dynamische, ausdauerbetonte Bewegungsformen unter bewußtem Verzicht auf unkalkulierbare Risiken.
Und treten trotzdem Verletzungen des Bewegungssystems auf?
Dann sollten neben der noch immer aktuellen PECH-Regel – Pause, Eis, Compressionen, Hochlagern – ein kühlendes abschwellendes Gel und entsprechendes Verbandsmaterial in der Reiseapotheke nicht fehlen. Bei trotzdem anhaltenden Schmerzen in Ruhe und bei Gelenkbeteiligung ist in jedem Fall ärztlicher Rat auch am Urlaubsort einzuholen.
Für das Gespräch dankt Kornelia Suske.