Uni im Aufbau - Personal im Abbau?
Zur Zeit befindet sich das Haushaltsgesetz 1998 mitten im parlamentarischen und außerparlamentarischen Diskussionsprozeß. Betroffen davon ist auch unsere Universität. Schwerpunkt sind dabei die Personalkosten. Der Ernst der Situation wurde von Kanzler Wolfgang Lehnecke auf der Informationsveranstaltung der Dienststelle Ende September sehr deutlich gemacht. Diese Veranstaltung brachte zwar Informationen und Fakten, aber keinerlei Klärung oder Entscheidungshilfen zur Lösung der anstehenden Probleme.
Die Fakten, soweit sie sich für den Personalrat im Personalkostenbereich darstellen:
• Haushaltsgesetz 1998 (Planentwurf): ca. 112 Mio. DM
• Minderausgabe für den Bereich des Kultusministeriums: 15 Mio. DM
• Minderausgabe in den Personalkosten: 5 Mio DM, vom Kultusministerium für die Universität festgelegt
• Minderausgabe für die Universität: 4,2 Mio. DM nach weiteren Ministeriumszusagen
Einzig der Planansatz im Haushaltsgesetz ist dabei sachlich begründet. Offen bleibt die Frage nach dem sachlichen Bezug der Minderausgabe. Eine Antwort darauf bleibt das Kultusministerium bisher schuldig. Bedenklich ist in diesem Zusammenhang der Hinweis des Kultusministeriums, daß der Universität überhaupt nur Mittel im Personalbereich in Höhe von ca. 106 Mio. DM zugebilligt werden sollen. Ein solcher Planungsansatz ist auch nicht aus der Minderausgabe abzuleiten und hat äußerst fatale Folgen.
Mit der vorgegebenen Größe von 106 Mio. DM sind die IST-Personalkosten der Universität nicht abgedeckt. Eine Personalpolitik, Berufungsgeschehen etc. wären von der Universität nicht mehr gestaltbar. Ein vom Landtag per Gesetz bestätigtes Stellendispositiv für unsere Universität ist dann offensichtlich nur Makulatur.
Welche Lösungsmöglichkeiten sieht das Kultusministerium? Zunächst wird ein „Personalüberhangbereich“ festgestellt, ohne daß dieser überhaupt näher definiert oder nachvollziehbar ausgewiesen wird oder gar sachlich begründet ist. Der Personalrat stellt fest, an der Otto-von-Guericke-Universität gibt es keinen Personalüberhangbereich! Leider müssen wir aber auch feststellen, daß die Dienststellenleitung Reserven gezielt im wissenschaftlichen Personalbereich prüft, als wäre damit eine Lösung für die anstehenden Probleme zu finden! In einer Größenordnung von 80 bis 160 Wissenschaftlerstellen (je nach haushaltsrelevantem Bezugszeitraum) steht Personal für die Dienststellenleitung zur Disposition! Haushaltsmittel in einer Größenordnung von bis zu sieben (!) Mio. DM über diesen Weg einsparen zu wollen ist absolut unrealistisch. Der Personalrat stellt fest, die Universität hat in keinem Bereich zuviel Personal sondern, den Planungen folgend, zu wenig berufene Professoren. Vom Kultusministerium werden vielfach Berufungen verzögert.
Lösungsansätze
Welche Lösungsansätze für einen gewollten Stellen- und Personalabbau bietet das Land an?
Abfindungsregelung: Dieses Angebot hat aus der Sicht des Personalrats nur einen Sinn, wenn bereits ein Folgearbeitsplatz außerhalb des öffentlichen Dienstes fest ist. Ein Einspareffekt für die Universität ist nicht zu erkennen.
Teilzeit: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt bedeutet die Vereinbarung einer Teilzeit für den Einzelnen im Klartext Verzicht auf Einkommen ohne jegliche soziale Sicherheit. Oft bliebe sogar das Arbeitspensum voll erhalten.
Altersteilzeit: Das Altersteilzeitgesetz bietet nur in ganz wenigen Ausnahmefällen eine akzeptable Lösung für Beschäftigte. Interessant ist hierbei die Feststellung, daß der Kultusminister den Rektor aufgefordert hat, diese Maßnahme offensiv anzuwenden. Gleichzeitig liegt aus dem Finanzministerium die Anweisung vor, diese spezielle Maßnahme nicht voranzutreiben, d.h., keine Vereinbarungen zur Altersteilzeit abzuschließen, da an verbesserten Bedingungen gearbeitet wird!
Übergang von wissenschaftlichem Personal an Berufsschulen: Hier kann es eine übereinstimmende Interessenlage zwischen Land, Universität und Beschäftigtem geben.
Die Universität hat auf der Basis dieser Angebote keinen Handlungsspielraum für Lösungen, die von beiderseitigem Interesse sein könnten.
Auf Eis
Tarifverhandlungen zu sozialverträglichen Lösungen, wie sie der Personalrat seit Jahren fordert, werden an verantwortlicher Stelle blockiert oder liegen auf Eis. Das betrifft Gestaltungsmöglichkeiten des § 15c BAT-O ebenso wie die gegenwärtigen Tarifverhandlungen zur Teilzeitbeschäftigung mit Arbeitsplatzsicherung.
So bleibt nur festzustellen, daß bei den erheblichen finanziellen Zwängen des Landes gleichzeitig kein brauchbares Lösungskonzept vorliegt. Offensichtlich beschränkt sich das Land auf die Forderung nach Abbau von 17 000 Stellen in Sachsen-Anhalt. Aber schon der Aufforderung der Gewerkschaften, sogenannte Überhangbereiche exakt zu benennen, wird nicht gefolgt. Wir warnen eindringlich davor, die Probleme und die Verantwortung dafür „nach unten“ zu drücken! Die Universität, die sich mitten in einem erfolgreichen Aufbauprozeß befindet, kann nicht ohne Handlungsspielräume mit übermäßigen Einsparvorgaben vom Kultusministerium allein gelassen werden. Die Minderausgabe in voller Höhe durchsetzen zu wollen bedeutet einen Eingriff in die Substanz und in den bisher erfolgreichen Entwicklungsprozeß der Universität mit weitreichenden personellen und strukturellen Konsequenzen!
Planungssicherheit
Das Berufungsgeschehen ist voranzubringen. Erkennbare Verzögerungen durch das Kultusministerium müssen kritisch geprüft werden. Die Universität braucht dringend Planungssicherheit mit sachlich begründeten Eckwerten. Angedachte Lösungswege und -ziele müssen transparent und nachvollziehbar sein. Alle Beschäftigten müssen in den Gestaltungsprozeß aktiv mit einbezogen werden. Machtbefugnisse, Entscheidung und Verantwortung müssen eine Einheit bilden. Wir warnen genauso eindringlich davor, in einer Fülle von Einzelvorgängen auf arbeitsrechtlichem Wege (z.B. Kündigungen, Änderungskündigungen) finanzielle Einsparungen herbeiführen zu wollen.
Alle Beschäftigten der Universität sollten sich aktiv in diesen Prozeß einbringen, sowohl nach innen als auch nach außen gerichtet. Die Politiker müssen auf unsere Probleme aufmerksam gemacht werden. Aber auch die Universitätsleitung, jeder Dienstvorgesetzte, jeder Professor muß wissen, daß tragfähige, akzeptable Lösungen nur mit den Beschäftigten und nicht über deren Köpfe hinweg zu finden sind. Dafür könnte die Informationsveranstaltung der Dienststellenleitung ein allererster Schritt gewesen sein.
Dr. Günther Sämann