Budgetierungsmodell für die Universität?

08.06.1998 -  

Kanzler Wolfgang Lehnecke im Gespräch mit UNI-REPORT

Modelle zur Haushaltführung, Budgetierung und Sparzwänge erhitzen die Gemüter auch an unserer Universität und sorgen für Unruhe. Was ist unter dem Begriff der Budgetierung zu verstehen?

Budgetierung ist nicht eindeutig definiert. Im gegenwärtigen Sprachgebrauch wird der Begriff recht unterschiedlich in den einzelnen Bundesländern interpretiert. Z. B. werden Fragen der Flexibilisierung als Budgetierung und Fragen des Globalhaushaltes ebenfalls als Budgetierung bezeichnet. Die Grenzen zwischen diesen Begriffen sind fließend.
Ich sehe in der Budgetierung ein wesentliches Instrument, die Autonomie von Universitäten und Hochschulen im Bereich Finanzen zu erhöhen. Sie ist eine Chance für uns, eigenverantwortlich über finanzielle Mittel zu entscheiden und Rücklagen zu bilden. Diese Aspekte sind äußerst wichtig für die Infrastruktur, aber auch für die inhaltliche konzeptionelle Entwicklung der Uni.

Könnten Sie sich ein solches Budgetierungsmodell für unsere Universität vorstellen?

Die Frage ist schwer zu beantworten. Zunächst muß man davon ausgehen, daß bei einer Budgetierung oder Globalisierung nicht mehr finanzielle Mittel bereit gestellt werden als unter den Bedingungen der derzeitigen kameralistischen Haushaltführung. Wichtig ist, zu welchen Rahmenbedingungen sich das Land und die Universität über einen Modellversuch verständigen.

Wie könnten diese Rahmenbedingungen aussehen?

Das Jährlichkeitsprinzip des Haushaltes, wie es gegenwärtig praktiziert wird, muß aufgehoben und der Universität die Möglichkeit eingeräumt werden, Rücklagen zu bilden. Mit dieser Regelung könnten die konzentrierten Geldausgaben zum Jahresende, das sogenannte Dezemberfieber, vermieden werden. Einen weiteren Vorteil sehe ich darin, daß die Deckungsfähigkeit zwischen den Hauptgruppen des Haushaltes gewährleistet ist. Beispielsweise können dann nicht verausgabte Personalmittel für sächliche Verwaltungsausgaben oder investive Ausgaben eingesetzt werden.

Gibt es weitere Gesichtspunkte, die in einer solchen Rahmenvereinbarung fixiert werden müssen?

Ja, beispielsweise die Planungssicherheit bei der personellen Entwicklung auf der Grundlage des Stellendispositivs. Darüber hinaus muß festgelegt sein, daß keine globalen Minderausgaben, Haushaltsperren und Einstellungskorridore während des Modellversuchs zum Tragen kommen. Gegenwärtig sind die Einrichtungen, die am Modellversuch teilnehmen, nicht von der Haushaltsperre betroffen.
Ein weiterer Gesichtspunkt ist, daß bei der Bemessung der Ansätze inhaltliche und kapazitive Veränderungen in Lehre und Forschung berücksichtigt werden sowie die bauliche Entwicklung.

Sie haben bisher die positiven Seiten des Globalhaushaltes erwähnt. Worin liegen die Nachteile?

Natürlich hat jedes Ding zwei Seiten und so können auch gewisse Nachteile auftreten. Es wird befürchtet, daß sich der Staat mit dem Globalhaushalt aus seiner Finanzverantwortung gegenüber den Hochschulen verabschieden will. Daher ist es von größter Wichtigkeit, bei einem Modellversuch, Eckwerte zugrunde zu legen, die eine Finanzierung der Universität insgesamt ermöglichen. In den zurückliegenden Jahren war es bei der Beratung zum Haushaltplan mitunter notwendig, daß das Rektorat mit Politikern aller Fraktionen Gespräche führte, um Haushaltengpässe zu vermeiden und auszugleichen. In den meisten Fällen gelang es uns auch, die Unterstützung der Politiker zu erhalten, so daß es zu keinen drastischen Maßnahmen bezüglich Stellenabbau und Mittelkürzungen gekommen ist. Bei einer globalen Haushaltführung ist diese Sachdiskussion nicht mehr möglich, weil die Uni ein Gesamtbudget erhält und eigenverantwortlich ihre Haushaltstruktur festlegt.

Sie haben auf die Vor- und Nachteile verwiesen. Ganz konkret gefragt, Globalhaushalt ja oder nein?

Aus meiner Sicht würde ich die Einführung eines Globalhaushaltes generell begrüßen, natürlich unter der Voraussetzung, daß die Eckwerte und Rahmenbedingungen stimmen. Aber wie bereits erwähnt, bedarf es dazu einer Vereinbarung zwischen dem Land und der Universität.

Eine Frage zu Tariferhöhungen. Kann die Uni im Rahmen ihrer globalen Haushaltführung Tariferhöhungen erwirtschaften?

Dieser Punkt muß ebenfalls in die Rahmenbedingung einfließen. Nach meiner Überzeugung müssen Tariferhöhungen durch das Land finanziert werden, d.h. der Uni muß ein zusätzlicher Finanzbetrag zur Verfügung gestellt werden. Eine beispielsweise zweiprozentige Tariferhöhung erfordert einen Finanzbetrag von rund 2,2 Mill. DM. Die Mittel, die die Uni z. B. für Ausrüstungsinvestitionen in den zurückliegenden Jahren zur Verfügung hatte, beliefen sich auf 3,6 Mill. DM. Allein an diesem Beispiel wird sichtbar, daß dieser Finanzbedarf nicht von der Uni erwirtschaftet werden kann.

Welche Hochschulen nehmen in Sachsen-Anhalt an dem Modellversuch teil und gibt es unterschiedliche Modellversuche in der deutschen Hochschullandschaft?

In Sachsen-Anhalt beteiligen sich die Fachhochschulen Merseburg, Magdeburg und Stendal. In allen Bundesländern laufen Modellversuche und zwar mit unterschiedlichen Ausgangspunkten. So werden z.B. Hochschulen in Niedersachsen Wirtschaftsbetrieben gleichgesetzt. Ihnen wurde im Rahmen des Modellversuchs eine Vielzahl zusätzlicher Aufgaben übertragen, die aber eine personelle Stärkung einiger Bereiche erforderlich machten. Der gegenwärtige Modellversuch in Sachsen-Anhalt sieht die Übertragung zusätzlicher Aufgaben nicht vor.

In den Diskussionen um die flexible Mittelbewirtschaftung wird auch vom Kostenbewußtsein der Mitarbeiter gesprochen. Wie wirkt sich der Globalhaushalt auf das Kostenbewußtsein unserer Mitarbeiter aus?

Ich denke schon, daß mit der Einführung des Globalhaushaltes auch das Kostenbewußtsein der Mitarbeiter steigt. Das ist sicherlich auch eine ganz entscheidende Zielstellung des Landes und auch unserer Universität, denn wie ich bereits sagte, ist die gegenwärtige Verfahrensweise durch Nachteile behaftet. Die Mittel müssen, wenn sie nicht verfallen sollen, bis Jahresende ausgegeben werden. Die Möglichkeit der Rücklagenbildung und der Einsatz dieser Mittel im Rahmen der eigenen Entscheidung bewirkt meines Erachtens, daß über einige Ausgaben verstärkt nachgedacht werden muß.

Im vergangenem Jahr sorgte die angedachte Personalkostenbudgetierung und eine mögliche Reduzierung von wissenschaftlichen Mitarbeiterstellen, insbesondere im ingenieurtechnischen Bereich, für Verwirrung und Unruhe. Könnte es da nicht sein, daß hochqualifiziertes wissenschaftliches Personal der Uni in Unternehmen abwandert und Forschung und Lehre gefährdet werden?

Die Diskussion zu dieser Problematik im Jahre 1997 stand unmittelbar im Zusammenhang mit der Vorbereitung des Planes 1998. Das Rektorat führte eine Vielzahl von Gesprächen mit Landtagsabgeordneten, so daß letztendlich Konsens im Interesse der Uni erreicht wurde, und die Finanzierung des vorhandenen Personals sichergestellt und darüber hinaus das Berufungsgeschehen weitergeführt werden konnte. Also Qualität und Effizienz unserer Hauptprozesse wurden davon nicht betroffen und Abwanderung qualifizierten Personals gab es auch nicht.

Ist damit zu rechnen, daß das Land Sachsen-Anhalt schrittweise dazu übergeht, finanzielle Mittel in Abhängigkeit von Leistungen in Lehre und Forschung bereit zu stellen?

Selbstverständlich dürfen bei der Diskussion um Haushaltmittel und Sparmaßnahmen die Leistungen der Wissenschaft nicht vergessen werden. Das Ergebnis der kürzlich durchgeführten Evaluierung ist aus meiner Sicht positiv einzuschätzen. Ich sehe jedoch ein Problem, daß zukünftig verstärkt quantitative Fragen eine Rolle spielen. Bei der Bemessung und Zuführung von Mitteln für den Haushalt könnte die Anzahl der Studierenden ein Leistungsindikator sein. Deshalb muß die Imagewirkung unserer Universität nach außen und innen erhöht und die Studienwerbung konsequent verstärkt werden, damit wir unser Ziel von 10000 Studierenden zur Jahrtausendwende erreichen.

Wird über eine neue Mittelzuführung nachgedacht?

Die bisherige Mittelzuführung an die Fakultäten erfolgte auf der Grundlage einer vom Senat bestätigten Berechnung eines Verteileralgorithmuses, unter Einbeziehung von Leistungsindikatoren bei einzelnen Haushalttiteln. Ein Vergleich der Mittelzuführung wurde kürzlich mit verschiedenen technisch orientierten Hochschuleinrichtungen vorgenommen. Demnächst wird dem Senat ein verändertes Mittelverteilungsmodell zur Diskussion vorgelegt. Er entscheidet danach, welche neuen Komponenten in das Modell einzubeziehen sind.
Ich wünsche mir ein möglichst einfaches für alle Beteiligten durchschaubares Mittelverteilungsmodell, denn nur auf dieser Basis können wir von dem Grundsatz der Haushaltklarheit und -wahrheit sprechen.

Für das Gespräch bedankt sich Waltraud Rieß

Letzte Änderung: 08.06.1998 - Ansprechpartner: Webmaster